Das System Fressbuddy
Natalie Oberhollenzer | 23.05.2022

Warum ich im Lauf der Jahre den innerfamiliären Job als Resteesserin aufs Auge habe drücken lassen.
Ich bin ein Fressbuddy. Diese wenig schmeichelhafte Anrede muss ich mir hin und wieder in unserer Familie anhören. Der Grund: Ich esse Reste auf. Schon vor längerer Zeit habe ich in dem Belang jeglichen Genierer verloren. Die Ältere hat nur die Fischstäbchen aufgegessen, nicht aber den Püree? Her damit! Die Kleine isst nur das halbe Honigbrot in der Früh – kein Problem, taugt gut als Zwischenmahlzeit vorm Computer. Angebissene Karotten und Apfelbutzen, die restliche Suppe, der stehengelassene Saft; auch vor dem angenagtem Brezen-Stück unterm Küchentisch mache ich nicht halt.
Zu diesem Verhalten beigetragen hat sicherlich die Erziehung. Meine Mutter erklärte uns immer wieder, dass Essen etwas ganz Wertvolles ist, viel zu schade zum Wegschmeißen. Natürlich bekamen wir auch die Sache mit den armen, hungernden Kindern aus Afrika öfters zu hören. Heute ertappe ich mich mitunter dabei, dass ich ähnliches zu bedenken gebe, aber ohne spezielle Ortsangaben. Jedenfalls: Gelernt ist gelernt und so schmerzt es mich noch heute, wenn eigentlich noch essbare Nahrungsmittel im Müll landen. Daher versuche ich es auf verschiedene Art und Weisen zu vermeiden. Und wenn es mir auf anderem Wege nicht gelingt, dann esse ich halt dieses und jenes, auch wenn ich keinen Hunger habe.
Vor- und Nachteile
Der Nachteil liegt auf der Hand. Meine Figur hat durch die Strategie gröberen Schaden genommen. Ehrlich gesagt sind wohl in erster Linie eher die Entgleisungen schuld, die mir regelmäßig mit der Schokolade, den Keksen, dem Eis, den Chips und Snips, den Gummibärchen und den ganzen anderen wunderbaren Fressalien passieren. Aber es klingt halt besser, wenn mein unendlicher Edelmut schuld ist. Was tut man nicht alles für die Nachhaltigkeit!
Mir ist klar, dass es den Ernährungsberater:innen bei diesem Gewohnheiten die Haare aufstellen wird. Das Sättigungsgefühl, satt ist satt, was ist mit aufheben und später essen, hör nicht auf den Druck von Familie und Gesellschaft. So oder so ähnlich würden sie wohl argumentieren. Die Theorie kennen wir ja. Nur mit der praktischen Umsetzung hapert es. Und außerdem kann man halt auch nicht aus seiner Haut. „Aufgegessen ist Kost gelobt“, hat meine Oma gerne gesagt, wenn unsere Teller leer waren. Sowas bleibt eben hängen.
Ärgernis Anstandsrestchen
In China würde mein Essverhalten dagegen als unhöflich gewertet. Dort gilt es als ungehobelt gänzlich leere Teller zu hinterlassen. Dadurch, so besagt es die Sitte, wird dem Gastgeber signalisiert, dass man noch Hunger hat. Es gebietet sich ein Anstandsrestchen zu hinterlassen. Für mich dagegen bedeuten Anstandsrestchen jedes Mal ein kleines Ärgernis, und zwar in dem Moment, wenn ich sie vom Teller runterschaben muss, bevor ich sie in die Spülmaschine einräume. Mehrarbeit, sag ich nur. Folglich ist unsere Lösung des Problems vielleicht nicht die beste, aber wohl auch nicht die schlechteste: Der Fressbuddy muss in den sauren Apfel beißen.
Link:
wir-leben-nachhaltig.at: Lebensmittelverschwendung vermeiden
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