Pariser Klimaziele – wir schaffen das! (Schaffen wir das?)
Paris-Baden-Familien im Klimaschutz-Selbstversuch | 07.12.2021

Das Klima-und Energiereferat der Stadt Baden lud die Badener Bevölkerung zum Projekt „Paris-Baden“ ein. Im Laufe von vier Wochen sollten 20 Familien versuchen ihr Leben so zu gestalten, wie es nötig ist, um die Klimaziele vom Pariser Abkommen zu erreichen. Da mussten wir, meine Frau Gabriele und ich, natürlich dabei sein.
Die 100 Punkte Challenge
Grundlage des Projektes bildete das Programm „Ein guter Tag hat 100 Punkte“. Dabei werden Dinge und Handlungen des Alltags nach deren CO2-Ausstoß bewertet. Das Geniale dabei ist die Idee, nicht mit abstrakten Zahlen, sondern mit einem sehr greifbaren Punktesystem vorzugehen.
Als Beispiel eine Reise nach Berlin und zurück. Reist man mit dem Flugzeug, wird das persönliche Punktekonto mit rund 5500 Punkten belastet. Fährt man alleine mit einem VW Golf 1.6TDI sind es immer noch 2400 Punkte. Nur mit der Bahn wäre diese Reise, mit ca. 300 Punkten in der neuen Währung gemessen, erschwinglich.
Ein Urlaubstrip auf die Seychellen „kostet“ 69.000 Punkte! Wenn wir, so wie es der Vertrag von Paris vorschreibt, nur 100 Punkte pro Tag zur Verfügung haben, dürfen wie nach der Heimkehr 2 Jahre nicht mehr essen, wohnen und arbeiten. Dieses Beispiel zeigt drastisch, wo wir mit unseren Bemühungen ansetzen müssen.
Mobilität neu denken
Wir haben uns entschlossen, auf Flugreisen ganz zu verzichten. Außerdem bewegen wir uns innerhalb der Stadt Baden fast ausschließlich mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Weitere Strecken versuchen wir so oft wie möglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen und wo das nicht gelingt, fahren wir mit unserem kleinen Elektro-Auto.

Bei Urlaubsreisen wollen wir auf unseren Campingbus (noch) nicht verzichten und trösten uns damit, dass wir durch die minimalistische Lebensweise als Camper, Punkte einsparen können. So sind wir beim Thema Mobilität recht gut in Richtung Pariser Klimaziele unterwegs.
Das gelingt uns aber nur, weil wir in einer Stadt wie Baden wohnen. Für uns sind alle Dinge des täglichen Bedarfs in 15 Minuten zu Fuß erreichbar und mit der Südbahn sind wir hervorragend an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen. Meine Frau hat ihren Arbeitsplatz in Baden und ich bin Pensionist, habe also Zeit mit dem Fahrrad und Anhänger auch weitere Strecken zu bewältigen.

Abhängig von Politik und Wirtschaft
Andere Menschen wohnen nicht so privilegiert. In vielen, vor allem ländlichen, Gegenden beschränkt sich der öffentliche Verkehr auf Busverbindungen mit sehr niedriger Frequenz und weitmaschigem Netz. Dazu kommt, dass es in den Dörfern so gut wie keine Nahversorger mehr gibt und Arbeitsplätze ebenso wenig. Hier ist klimaneutrale Mobilität viel schwerer umzusetzen, daher ist die Politik gefordert.
Der öffentliche Verkehr muss massiv ausgebaut werden, anstatt noch mehr Straßen in den Ballungszonen zu bauen. Intelligente Verkehrslösungen müssen gefunden werden, die viel zitierte „letzte Meile“ wartet dringend auf Lösungen. Ein Stichwort dazu wäre die „multimodale Mobilität“. Es muss ein Umdenken in der Raumplanungspolitik geben, damit Wohnen, Arbeiten und Einkaufen wieder an einem Ort möglich wird und Steuerpolitik muss endlich wirklich ökosozial werden, indem sie Veränderungen in einer Größenordnung bringt, die das „Steuern“ ermöglicht.
Unser Fazit
Eine Österreicher*in verbraucht durchschnittlich 450 Punkte pro Tag. Wir waren vor dem Projekt auf 280 Punkte, haben uns während der Projektlaufzeit das Ziel gesetzt, auf 140 Punkte zu kommen und mussten uns zum Schluss eingestehen, dass wir derzeit realistisch rund 170 Punkte erreichen werden. Die fehlenden 70 Punkte liegen einfach nicht in unserer Hand. Unsere Wohnung ist eine von vier Wohnungen einer alten Badener Villa. Die Umrüstung und thermische Sanierung übersteigen unsere finanziellen Möglichkeiten. Ein Anschluss an die CO2 neutrale Fernwärme ist nicht möglich, Photovoltaik nur sehr beschränkt, da wir von einem 7 Stock hohen Wohnblock beschattet sind. Das heißt, jeder kann viel zum Erreichen der Klimaziele beitragen, ist aber letztendlich von äußeren Umständen abhängig, die durch politisches Handeln und eine auf Wachstum fokussierte Wirtschaftsweise, bestimmt werden.
Michael Krenn
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