Die capsule wardrobe spart Zeit, Geld, Nerven und Ressourcen
Natalie Oberhollenzer | 16.11.2021

Morgens vor dem vollgestopften Kleiderkasten stehen und nicht wissen was anziehen? Nein, würde ich meinen. Denn das Leben ist schon kompliziert genug
Neulich erzählt mir meine Cousine von ihrem morgendlichen Ankleideprinzip. Sie könne, sagt sie, in der Früh wie eine Blinde in ihren Schrank greifen und einige Teile herausholen. Angezogen passen die Sachen passen immer alle zusammen. Capsule Wardrobe nennt sich dieser Grundsatz einer minimalistisch gehaltenen Garderobe.
Demnach braucht es bloß um die 37 Teile pro Jahreszeit, um mehr oder weniger stilsicher durch den Alltag zu kommen (Socken, Unterwäsche, Accessoires und Klamotten für Sport und sonstige spezielle Anlässe ausgenommen). Hosen, Shirts, Pullis, und Co. sollten eher dezent gehalten, farblich aufeinander abgestimmt und kombinierbar sein. Je nach Experte, der im Netz über die Anziehform berichtet, gibt es jede Menge Regeln bis hin zu sorgloseren Freestyle-Varianten. Die Hauptidee ist jedenfalls, nur mehr die Teile im Schrank zu haben, die man wirklich braucht. Denn: Mag der Kasten noch so überquillen vor wunderschönen Stücken, wirklich angezogen wird meist nur ein Bruchteil davon. Die Mehrheit gammelt dagegen nur vor sich hin – warum soll man sie also nicht einfach loswerden?
30 Sekunden ohne Kopfweh
Mir wird klar, dass ich mich seitdem die Kinder da sind auch ziemlich capsule-mässig anziehe. Die Wahl der Garderobe dauert in der Regel nicht länger als eine halbe Minute. Es muss halt schnellgehen in der Früh. Jeans oder Leggings, dazu ein einfärbiges Leiberl und ein Sweater drüber und fertig ist der Look of the day. Spannend ist er nicht, das muss ich zugeben, aber irgendwie ist man halt auch auf der sicheren Seite. Ein wenig Schmuck dazu, das muss reichen um das Ganze aufzupeppen.
Wobei: Ich lasse mich auch immer öfter dazu hinreißen, die Trainerhose beim Hinausgehen anzubehalten. Immerhin liegt Loungewear gerade im Trend. Trotzdem ist es wohl eher als ein Schritt weiter hinein in die stilistische Komfortzone statt hinaus. Möglicherweise gilt es ihn nochmal zu überdenken.
Ein Lob auf die liebgewonnenen Teile
Abgesehen vom misslungenen Streetstyle mit der verwaschenen Jogginghose macht man mit dem capsule-Prinzip jedoch wenig falsch. Man vermeidet peinliche Auftritte. Ausgefallene Looks mögen in der Vogue schön anzuschauen sein. Im Alltag würde man damit meist eine eher befremdliche Figur abgeben. Reingequetscht, unbequem und überkandidelt sieht doch selten gut aus. Mühelos, mit weiten, feinen Schnitten, das klingt schon viel besser. Außerdem fällt der „Was ziehe ich bloß an-Stress“ in der Früh weg, wenn wir uns auf die liebgewonnenen, zeitlosen Teile konzentrieren. Wir sparen uns die Nerven und darüber hinaus sparen wir auch noch Geld und schonen das Klima.
Für alle Eventualitäten gerüstet
Laut Instagram ist der minimalistische Kleiderschrank gerade sehr angesagt. Neu ist er aber nicht. Erfunden hat den Begriff capsule wardrobe eine Londoner Boutique-Betreiberin in den 70ern. Im Jahr 1985 lancierte die New Yorker Modeschöpferin Donna Karan ihr Konzept der seven easy pieces („sieben einfache Stücke“): sieben schlichte Basis-Bekleidungsstücke, die sich in immer neu kombinieren lassen und reichen, um gut auszusehen. Es sei, so die Designerin, Bekleidung für Frauen, die morgens noch nicht wissen, wo sie der Tag hinführen wird. Wenn das mal nicht ein guter Plan ist für planlose wie mich! Wenngleich ich mittlerweile meistens weiß wohin der Tag mich führt, nämlich dass irgendwann irgendetwas was ich anhabe von jemandem angeschmiert wird. Wie gut, dass es nicht von Donna Karan ist.
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