Interview mit Dr. Gerfried Koch, Leiter des Klima- und Energiereferat der Stadtgemeinde Baden
Daniela Capano | 16.04.2019

2011 reagierte die Stadtgemeinde Baden auf die Herausforderungen im Klimaschutz- und Energiebereich und schuf eine eigene Abteilung in der Stadtverwaltung, das Klima- und Energiereferat Baden. Seitdem ist dieses Referat die zentrale Anlauf- und Koordinationsstelle für alle Energiethemen und Drehscheibe der Initiierung und Umsetzung von Energie- und Klimaschutzprojekte in Baden.
Damit ist das Referat auch verantwortlich für die Programme Klima- und Energiemodellregion Baden, das e5-Programm für eine energieeffiziente Gemeinde und die Fairtrade sowie Klimabündnis Gemeinde.
Herr Dr. Koch, Ihre Abteilung vernetzt Projekte innerhalb der Dienststellen und Betriebe der Stadtgemeinde, ist aber auch Service- und Beratungsstelle für die Bürgerinnen und Bürger, sowie Unternehmen in Baden. Welche Projekte liegen derzeit auf Ihrem Schreibtisch?
In der Energieerzeugung arbeiten wir gerade gemeinsam mit einem Unternehmen an einem Wasserkraftwerk, das uns gemeinsam mit unseren Photovoltaikprojekten noch mehr in Richtung erneuerbare Energieversorgung bringt: In Baden sind schon fast alle nutzbaren Dächer der öffentlichen Gebäude mit Photovoltaikanlagen ausgestatten, das sind über 20 Anlagen, die wir betreiben.
Ansonsten engagieren wir uns im Frühjahr besonders in der Bewusstseinsbildung. Wir veranstalten im Mai den Tag der Sonne & Weltladentag, im Juni die Klima- und Umweltfilmtage mit der eNu und dem Cinema Paradiso sowie weitere Vorträge, Workshops und Diskussionen zu unterschiedlichen Themen der Nachhaltigkeit rund ums Jahr. Auch ist uns als Energiereferat wichtig, Schulen und Bildungseinrichtungen mit ins Boot zu holen, deswegen gibt es immer wieder Schulprojekte, die wir durchführen. 2018 haben wir ein sehr großes Schulprojekt zum Thema Nachhaltigen Lebensstil gemacht, wofür wir mit dem Österreichischen Klimaschutzpreis ausgezeichnet wurden. Außerdem finanzieren wir jedes Jahr um die 50 Schulworkshops mit Umweltpädagogen/innen aus dem Weltladen, Südwind und anderen PartnerInnen.
Jetzt sind wir auch immer stärker in der Klimawandelanpassung aktiv. Baden ist bekannt als die Stadt der Gärten und Parkanlagen und gerade dort ist der Klimawandel schon spürbar. Die Kolleginnen und Kollegen der Stadtgärten, allen voran Stadtgartendirektor Dipl.-Ing. Weber, engagieren sich sehr stark dafür, mit geänderter Pflanzenwahl sowohl an den straßenbegleitenden Beeten als auch in den großen Parkanlagen bis in den Stadtwald hinein. Auch im Gebäudesektor versuchen wir mit intelligenter Beschattung etc. der Überhitzung entgegenzuwirken und an die Gesundheit der Menschen zu denken, das betrifft Pflegeheime, aber auch die ganz Kleinen im Kindergarten.
Und natürlich setzen wir uns für eine nachhaltige Mobilität ein. Die Stadt Baden arbeitet gerade daran, die Citybuslinien gemeinsam mit dem VOR auf Elektrobusse umzustellen. Das ist ein sehr großes Projekt, gemeinsam mit vielen Abteilungen und in Kooperation mit dem Land NÖ. Baden ist auch eine der wenigen Gemeinden in Österreich, die Privatpersonen mit e-Autos unter bestimmten Bedingungen erlaubt, e-Ladesäulen auch auf öffentlichen Grund zu bauen. Wir sind auch eine der RadlerInnen-Städte in NÖ. Unser Radanteil liegt bei 13%, der ist durchaus noch ausbaubar, aber wir haben viele RadfahrerInnen über das ganze Jahr und wir haben die letzten 3 Jahre etliche Radboxen zu mieten und über 2000 Radabstellanlagen in der Stadt errichtet.
Am 4. Mai findet der beliebte „Tag der Sonne & Weltladentag“ zum achten Mal statt. Ihr Motto 2019 ist „Sonnen-Energie ist da – nutzen wir sie“. Was erwartet mich als Besucherin an diesem Tag?
Der Tag der Sonne & Weltladentag ist unsere größte Veranstaltung in der Innenstadt von Baden– mit einer Mischung aus Fest- und Messe-Charakter. Ca. 30 AustellerInnen stehen bereit, aber auch Betriebe, Unternehmen aus der Stadt und der Fußgängerzone sind eingebunden. Wir haben AusstellerInnen von Photovoltaik-Errichter bin hin zu Lebensmittelproduzenten oder Wiederverwerter. Ein Schwerpunkt wird heuer auch im Mobilitäts- und Radbereich liegen. RADLand NÖ wird dabei sein, die Stadtpolizei wird Radcodierungen machen und Radlchecks werden angeboten. Die Energie- und Umweltagentur NÖ und wir-leben-nachhaltig.at werden auch vor Ort sein.
Die Veranstaltung findet in guter Synergie mit dem internationalen Weltladentag statt. Es wird in Kooperation mit dem Weltladen wieder eine faire Modeschau geben. Heuer sogar zwei- eine für die Erwachsenen und am Nachmittag eine spezielle Kindermodenschau.
Der Tag der Sonne & Weltladentag ist heuer erstmals eine Ganztagesveranstaltung und wir haben ein breites Rahmenprogramm aufgesetzt- sowohl für Kinder als auch für Erwachsenen. Es wird in Kooperation mit Gastronomiebetrieben ein spezielles „Sonnenmenü“ geben und live Musik spielen. Auch die Musikschule der Stadt und die Theaterbühne Baden sind eingebunden.
Ihr außergewöhnliches Engagement trägt Früchte. 2015 wurden Sie unter den damals 104 Klimamodellregionen Österreichs vom Umweltministerium zum Klimamanager des Jahres ausgezeichnet. Was ist Ihr Erfolgsrezept, um Klima- und Energieprojekte auf Gemeindeebene gut umzusetzen?
Ein großer Vorteil für eine Stadt unsere Größe ist es, dass es eine eigene Verwaltungseinheit gibt wie das Energie- und Klimareferat und dass diese Themen nicht irgendwer mitmacht. Wir haben personelle Möglichkeiten und auch ein Budget in der Stadt. Wir haben ein kleines Team, aber wir sind sehr fokussiert auf unsere Energie- und Klimathemen. So konnten wir uns frühzeitig in große Programme eingebringen, wie das e5 Programm energieeffiziente Gemeinden und die Klimamodellregion. Als Leiter der e5 Arbeitsgruppe habe ich das Mandat, wirklich quer über die Abteilungen hinweg die Themen zu bearbeiten. Wir haben ein gutes Miteinander in der Gemeinde und die Kolleginnen und Kollegen helfen uns immer weiter.
Diese Programme bieten zudem ein breites Netzwerk über die Stadt hinaus und die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Gemeinden, aber auch mit Stakeholdern und Fachexperten/innen wie z.B. auch der eNu.
Deswegen fahren wir z.B. am Freitag mit Gemeinderäten und Stakeholdern nach Vorarlberg, um uns zu den Themen Energie und Klimaschutz auszutauschen und neue Ideen in die Stadt zu bringen. Umgekehrt sind auch wir immer bereit unser Wissen weiterzugeben. Wir werden oft eingeladen über unser Carsharing-System, unsere Bürgerbeteiligungen in Photovoltaikanlagen und über das Radfahrkonzept in Baden zu erzählen.
Noch wichtig für erfolgreiche Gemeindeprojekte ist, dass man wirklich sehr aktiv sein muss in der Öffentlichkeitsarbeit. Und zwar in der klassischen Öffentlichkeitsarbeit, aber auch mit ungewöhnlichen Aktionen. Wir sind z.B. im Sommer in das Strandbad, das Freibad in Baden, gegangen und haben dort eine Fairtrade-Tombola gemacht. Jede/r hat mit der Eintrittskarte auch eine Infokarte zur Fairtrade Stadt Baden bekommen und wir haben für dieses Thema neue Zielgruppen erreicht und informiert. Das gelingt uns eben auch mit Formaten wie den Klima- und Umweltfilmtagen gut. Da ist man nicht mit dem Zeigefinger unterwegs, sondern zeigt mit positiven Beispielen wie Nachhaltigkeit möglich ist. Das motiviert Leute mitzumachen. Und wie gesagt, ein Erfolg ist sicher auch, dass wir hinausgehen in Schulen und Kindergärten und die Bewusstseinsbildung auch bei den kleinen BürgerInnen beginnen.
Anfang des Jahres haben Sie eine Haushaltsbefragung der Stadt Baden durchgeführt, um die Energiesituation zu erheben und die Stadt in den Bereichen Energieversorgung und Klimaschutz weiterzuentwickeln. Gibt es schon Ergebnisse aus dieser Befragung? Wie hoch war die BürgerInnenbeteiligung?
Wir sind gerade bei der Auswertung und können noch keine genauen Ergebnisse sagen, aber auch mit der Befragung waren wir Vorreiter. Haushaltsbefragungen hat es natürlich schon gegeben, primär in kleineren Gemeinden. Bei einer Stadt mit 25.000 bis 30.000 EinwohnerInnen ist das gar nicht so einfach. Wir haben einerseits mit BeraterInnen und gemeinsam mit der Politik und den Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung die Inhalte festgelegt, also wie wohne ich, wie heize ich, wie bin ich mobil in Baden und worüber will ich informiert sein und dann haben wir 40 Fragen zusammengestellt.
Wir haben eine sehr breite Bewerbung gestartet und eigens dafür eine Sondernummer der Stadtzeitung gedruckt. Natürlich gab es auch eine digitale Version und als Anreiz zum Mitmachen gab es ein Gewinnspiel. Die Rücklaufquote war jetzt nicht berauschend, wie haben ca. 550 Rückantwortbögen bekommen, aber es reicht um eine statistische Aussage treffen zu können. Die Energiedaten sind für uns eine gute Zusatzgrundlage für das neue Energiekonzept, an dem wir gerade arbeiten und für die Planung der Energiestrategie der Stadt Baden der nächste 20 Jahre.
Kurz nachgefragt:
Ihr Berufswunsch als Kind? Ich wollte damals Förster werden.
Thema ihres letzten Tischgesprächs? Die Freitagdemostrationen der Kinder und Jugendlichen zum Klimaschutz
Tennis oder Fußball? Lieber Laufen. Ich bin eigentlich kein Ballspieler.
Der für Sie beeindruckendste Mensch der Geschichte? Martin Luther King, weil er gezeigt hat wie man Menschen begeistern kann und das betrifft auch uns in unserer Arbeit.
Ihr Lieblingsessen? Lieblingslokal? Bärlauch-Gnocchi, zu Hause auf der Terrasse.
Das möchten Sie können….Ich würde gerne Klavier spielen können. Meine Kinder spielen auch und ich hätte mit ihnen anfangen sollen.
Ihre liebste Freizeitbeschäftigung? In der Natur draußen sein – also wandern, laufen und Musik hören. Musik ist ein wichtiger Bestandteil in meinem Leben, aber derzeit leider nur passiv.
Wenn Sie nur eine Sache ändern könnten, um die Welt zu verbessern, welche wäre es? Wenn ich die Kraft hätte, würde ich weltweiten Frieden schaffen.
Ihr persönlicher Energie-Spartipp? Zu Fuß gehen und Rad fahren – das tut auch dem Körper gut.
„Im April, da macht jeder, was er will“, sagt ein Sprichwort: Was möchten Sie noch unbedingt machen? Vieles – aber ich würde gerne mit einem Heißluft-Ballon die Alpen überqueren.
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