Faire Schokolade – ein Etikettenschwindel?

Natalie Oberhollenzer | 13.11.2018

© Pixnio

In der Kakaoproduktion liegt vieles im Argen. Dabei könnten auch wir mehr tun als uns über die „bösen Großproduzenten“ aufzuregen während wir wahllos ihre Schokolade futtern.

Kaum etwas tröstet uns besser über graue, verregnete oder sonst irgendwiegrässliche Tage hinweg wie Schokolade. Dieser süße, zartschmelzende, einfach großartige Geschmack im Mund macht für einen Moment lang alles andere vergessen. Der Zucker gibt uns einen Energiekick und der Kakao, das ist erwiesen, euphorisiert und entspannt uns.
Für mich jedenfalls ist Schokolade eines der genialsten Lebensmittel überhaupt, weswegen ich sie sehr regelmäßig in nicht unbeträchtlichen Mengen zu mir nehme. Aufhorchen ließ mich aber ein Interview, das ich vor ein paar Jahren mit einem Aktivisten für fair gehandelten Kakao geführt habe. Er hat mich darüber aufgeklärt, wie sensibel die Kakaobäume sind. Wie kompliziert und arbeitsintensiv der Kakaoanbau ist. Dass Kakao und Schokolade eigentlich Luxusgüter sind. Dass der weltweite Heißhunger danach aber dazu geführt hat, dass sich Nahrungsmittelmultis auf das Geschäft gestürzt und es zu einem lukrativen Geschäft gemacht haben – und wie? Indem sie die Preise für den Rohstoff immer weiter gesenkt, sprich den Kakaobäuerinnen und -bauern miserable Löhne gezahlt haben. Und indem sie andererseits den Kakaoanteil in den Schokoladen immer weiter gesenkt und dafür mit Ersatzstoffen gespickt haben.

Verarmte Farmer, schuftende Kindersklaven

Und während Schokolade zur Massenware in den Regalen der Supermärkte geworden ist, schuften immer mehr landwirtschaftlich Beschäftigte unter unzumutbaren Bedingungen. Nicht selten sind es sogar Kinder, die die Bohnen mit Macheten von den Bäumen schlagen. Die meisten der rund sechs Millionen Kakaobäuerinnen und -bauern erhalten kein existenzsicherndes Einkommen. In der Elfenbeinküste verdient eine Farmerfamilie pro Tag und Familienmitglied im Schnitt 45 Cent. Auf der anderen Seite stehen gerade einmal acht Händler und Vermahler von Kakao, die etwa drei Viertel des Welthandels kontrollieren. Wer am Ende vom Preis einer Tafel Schoko wie viel erhält, seht ihr hier:

© INKOTA Netzwerk

Welches Siegel ist am vertrauenswürdigsten?

Wir Konsumentinnen und Konsumenten können derweil nur unser eigenes Einkaufsverhalten kontrollieren – was aber auch schon einen Unterschied macht! Zum Beispiel können wir einen kurzen Blick auf die Verpackung werfen und prüfen, ob ein Siegel darauf prangt. Idealerweise das allseits bekannte, blau-grün-schwarze Fairtrade-Siegel. Der Kakao des Produktes mit diesem Zeichen wurde von landwirtschaftlich Beschäftigte bezogen, die ordentlich entlohnt werden, was von unabhängiger Stelle kontrolliert wird. Etwas weniger vertrauenswürdig aber immer noch besser als keines ist das UTZ-Siegel, das häufig auf Diskont-Schokolade zu finden ist. Auch dieses hilft den Bäuerinnen und Bauern sehr wohl. Das Frosch-Logo von Rainforest Alliance hat vergleichsweise lasche Kriterien, die Initiative setzt sich jedoch immerhin auch für Umweltschutz-Belange ein.

Warum Zotter bei Fairtrade aussteigt

Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, der kauft am besten in Österreich selbst hergestellte bio- und fair produzierte Schokolade z.B. von BioArt aus Salzburg oder vom steirischen Schokofabrikanten Zotter, der es bei seinen Ursprungsschokoladen mit der genauen Herkunft der Bohnen ganz genau nimmt. Nämlich so genau, dass er angekündigt hat, auf das bisher verwendete Fairtrade-Logo zu verzichten. Es gehe ihm nicht weit genug, weil auch nicht fair gehandelte Inhaltsstoffe in einer Fairtrade zertifizierten Schokolade drin sein dürfen, sagt er und druckt von nun an ein eigenes Logo auf die Verpackungen.

Auch Mondelez macht sein eigenes Ding

Generell fällt auf, dass Produzierende und Händler immer häufiger auf eigene Logos statt auf die schon vorhandenen unabhängigen Zertifizierer setzen. Zum Beispiel der Mondelez-Konzern, der mit Milka und seinen vielen anderen Marken wie Suchard, Toblerone oder Oreo nicht nur den heimischen Schoko-Markt dominiert. Das Unternehmen hat mit Cocoa-Life sein eigenes Nachhaltigkeitsprogramm etabliert. Damit habe man schon an die 130.000 Bäuerinnen und Bauern erreicht und über eine Million neue Kakaobäume gepflanzt. Die nachhaltige Kakaobeschaffung sei mittlerweile auf 35 Prozent gestiegen, Ziel sei es 100 Prozent zu erreichen. Hierzulande sind die ganzen Tafelschokoladen von Milka seit August aus solchem Kakao hergestellt. Auf die Frage, warum man sein eigenes Programm gemacht habe, entgegnet ein Manager auf einer Pressekonferenz im Oktober in Wien, dass man seinen eigenen Anspruch gerecht werden wollte.

Alles was hilft, ist gut

Klar: Einerseits ist der Gütesiegel-Wildwuchs verwirrend und unkontrollierbar für uns VerbraucherInnen. Eine Sicherheit, ob wir da jetzt wirklich ein nachhaltig produziertes Produkt kaufen, haben wir in vielen Fällen auch dann nicht, wenn wir ein hübsches entsprechendes Zeichen auf der Folie sehen. So manche Labels haben wohl auch den Zweck, das Unternehmen „greenwashen“ zu müssen. Andererseits macht man es sich aber zu leicht, wenn man alle Bemühungen der SchokoladeanbieterInnen, auf eigene Faust etwas verbessern zu wollen, von vornherein verteufelt. Oder was meint ihr?

Zum Nachlesen:

Fairtrade-Siegel
UTZ-Siegel
Rainforest Alliance 
Zotter 
Cocoa Life 
Greenpeace Lebensmittel Gütezeichen-Guide

Kommentare

  • Julia Böhm

    31.07.2020, 20:31

    ich versuche, fair-trade einzukaufen, besonders bei Schokolade, Kakao und Kaffee.

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  • Christian

    23.07.2020, 19:30

    Es ist ziemlich naiv, einem Logo/Siegel zu vertrauen, das der Hersteller selbst eingeführt hat.
    Die Aussage des Mondelez-Managers sagt eh schon alles. Es ist die schöne Form von „Wir machen was wir wollen!“

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  • Betty

    22.11.2018, 15:07

    Manchmal ist es einfach zum zum aus der Haut fahren fahren! Die Konzernriesen beuten die Schokoladenbauern bewusst aus und nehmen Kinderarbeit und widrigste Arbeitsbedingungen zum Hungerlohn in Kauf: ganz nach dem Motto „Was gehts uns das an“… Jetzt muss halt die Kundin ran und die Moral über das Fressen stellen. Und es ist gar nicht so einfach sich ständig Gedanken machen zu müssen was man/frau kaufen darf oder nicht… Nun ich machs mir jetzt leicht und kauf halt beim Supermarkt die Schoki vom Zotter- wenn ichs mal nicht in den Bioladen schaffe…

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  • Lindt fan

    15.11.2018, 12:22

    Ich lass es mir nicht vermiesen. Wenn man was mit Siegel kauft ists eh halbwegs ok

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  • Milka-fan

    15.11.2018, 10:25

    Jetzt darf man nicht mal mehr schokalade essen….baaa

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  • Schokokrampus

    14.11.2018, 14:38

    Ich liebe Schokolade in jeder Form – werde in Zukunft bei der Schoko auch mehr auf die Siegel achten und vielleicht der Gesundheit zu Liebe auch Qualität statt Menge setzen 🙂

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