Nachgefragt bei: Maria Geissberger und DIin Agnes Hájek
Christa Ruspeckhofer | 16.10.2018

Mutter und Tochter aus verschiedenen Generationen
Anlässlich unsere Monatsreihe zu den SDGs und des in diesem Monat behandelten SDG 5 zum Thema Geschlechtergleichheit haben wir uns gefragt, was sich an der Rolle der Frau in Österreich in den letzten Jahren geändert hat?
Denn Frauen haben es auch heute noch schwer in typisch männerdominierten Bereichen wie Forschung und Technik ihren Platz einzunehmen, oder auch Führungspositionen einzufordern.
Unsere Kollegin Regina Engelbrecht hat bei ihrer Mutter und ihrer Schwester nachgefragt, wie sie ihre Rolle als Frau erleben. Beide haben einen ähnlichen Bildungsweg und Beruf – aber in verschiedenen Jahrzehnten!
Die pensionierte Schulrätin Maria Geissberger kam im Jahr 1950 als erstes von vier Kindern einer niederösterreichischen Bauernfamilie zur Welt. Ihr viertes Kind, die angehende Pflanzenbau-Professorin DIin Agnes Hájek wurde 36 Jahre später geboren.
Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede erlebten und erleben die beiden Frauen?
Maria, du hast 1970 an der landwirtschaftlichen Schule in Sitzenberg maturiert. War es damals üblich, dass Mädchen eine weiterführende Schule besuchten?
Maria: Nein, in meinem Heimatdorf war ich die einzige, die eine Maturaschule besucht hat. Die meisten meiner Freundinnen haben eine Lehre gemacht. Manche gingen in die Handelsschule oder in die Hauswirtschaftsschule. Dass frau Matura macht, war damals am Land nicht gängig.
Wer hat dich auf deinem Berufsweg unterstützt?
Maria: Meine Eltern, allen voran mein Vater. Er hat mir sogar das Mähdrescher-fahren beigebracht. Es war außergewöhnlich für damalige Verhältnisse, dass Mädchen mit großen Erntemaschinen fahren. Auch meiner Mutter war es ein wichtiges Anliegen, dass ich eine weiterführende Maturaschule besuche und abschließe, weil ihr dies damals verwehrt blieb als Mädchen vom Land in der Zwischenkriegszeit.
Du wurdest Lehrerin an der Schule, an der du erst 7 Jahre vorher die Schulbank gedrückt hast. Wie war das für dich? Wie wurdest du von den – fast ausschließlich männlichen – Kollegen aufgenommen?
Maria: Anfangs war es etwas ungewohnt. Mit der Zeit wurde das Kollegium aber sehr freundlich und hilfsbereit.
Agnes, deine schulische Laufbahn hat 1992 begonnen: Volksschule, Unterstufe und Matura – heute eine übliche Ausbildung. Gab es irgendwelche Unterschiede zwischen deinen Brüdern und dir oder zwischen Mädchen und Burschen generell?
Agnes: Eigentlich nicht, obwohl ich den IT-Lehrgang in der Oberstufe besucht habe und damals nur von männlichen Lehrern unterrichtet wurde. Ein hoher Burschenanteil war in diesen Klassen aber die Norm.
Agnes, du bist seit ungefähr zwei Jahren Mutter, hast vorher Vollzeit gearbeitet und bist derzeit mit deinem zweiten Kind in Karenz. Mit der Geburt eines Kindes verändert sich viel. Hast du auch Veränderungen deiner Rolle in der Familie beobachten können?
Agnes: Ja, das Ausmaß der Zeit, in der ich mich aktiv meiner Familie widme, ist natürlich durch die Karenzierung viel größer. Aber auch der organisatorische und gedankliche Aufwand sind exponentiell gestiegen, da sich Prioritäten durch das Elternsein verändert haben. Mein Mann Peter unterstützt mich in allen familiären und haushaltlichen Belangen, wenn es seine beruflichen Verpflichtungen (viel Außendienst) zulassen.
Früher und heute – doch nicht so verschieden
Auch früher war es möglich, als Frau in einem damals noch männerdominierten Bereich zu reüssieren. Früher wie heute hängt es aber häufig davon ab, ob sich eine persönliche Unterstützerin, ein Unterstützer in der Familie oder Schule findet, der hinter der Jugendlichen steht. Heute scheitern Frauen in der westlichen Welt eher selten an der Wahl des Bildungsweges, aber die gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für viele eine schwierige Herausforderung. Damit der Spagat zwischen einem zufriedenstellenden Arbeitsalltag und einem funktionierenden, glücklichen Familienleben gelingt, sind unter anderem auch flexible, innovative ArbeitgeberInnen gefragt. Unterstützung durch Partner und Familie ist fast unabdingbar, wenn Führungsaufgaben auch von Frauen übernommen werden sollen.
Kleine Maßnahmen – große Wirkung!
Was kann ICH persönlich tun, um die Gleichheit der Geschlechter zu forcieren?
- Kinder und Jugendliche in meinem Umfeld bestärken, das zu tun, was ihnen liegt und Freude macht.
- Die Chancen, in unterschiedlichen Schul- und Berufswegen zu schnuppern, forcieren.
- Auch im Gespräch weibliche und männliche Berufsbezeichnungen verwenden oder tradierte Rollen tauschen (z.B. die Pilotin, der Steward).
- Bei der Organisation von Veranstaltungen – vom Grillfest bis zur Tagung – an Hürden bei der Teilnahme denken.
- Nachbarschaftsgrillerei beginnt schon am Nachmittag mit Kaffee und Kuchen, damit sich auch Mütter kleiner Kinder austauschen können, die oft schon bald gehen müssen, während die Berufstätigen erst am Abend kommen können.
- Kinderbetreuung, Shuttledienst, uä. anbieten (Frauen kümmern sich nicht nur häufiger um Kinder, ihnen steht auch weniger häufig ein Fahrzeug zur Verfügung).
- Im Alltag reflektieren, wie ich jemanden behandle – hat das mit seinem/ihrem Geschlecht zu tun?
- Würde ich zum Beispiel einen Mann beim Einparken anleiten, einer Frau mit Kinderwagen die Türe aufhalten?
- Verteile ich Lob und Kritik unterschiedlich – Mädchen sind hübsch, Buben gescheit?
- Frage ich auch Männer „Wie organisierst du das jetzt mit den Kindern?“
- Frage ich Frauen z.B. nach ihrer bevorzugten Autowerkstatt?
Zum Weiterlesen:
wir-leben-nachhaltig: SDG 5 – Geschlechtergleichheit
blog.wir-leben-nachhaltig: Interview mit Frau Mag. Hausner, ÖGUT
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