Kuschelwuschelwätschibätsch
Natalie Oberhollenzer | 13.02.2018

Eine neue Form von Frauenzeitschriften hat die Regale erobert. Die schmücken sich allesamt mit grünen Mäntelchen – verbreiten aber in erster Linie reaktionären Quatsch.
Schon wem aufgefallen? Statt der Vogue oder der Bunte finden sich in den Zeitschriftenabteilungen mittlerweile andere Magazine ganz vorne im Regal. Hefte, die einen guten flow versprechen, mit Hilfe derer es besonders slow oder happy werden soll oder ein 1a dänisches hygge gelingen soll. Alle versprechen sie schon auf den ersten Blick etwas Flauschig-Wohliges. „Du brauchst nicht viel. Lies mich und es geht Dir gut“, scheinen einem diese Zeitschriften in samtener Stimme zuzusäuseln.
Ich will’s genauer wissen und nehme mir eine davon mit nach Hause. „Schön, dass Sie sich Zeit nehmen“, werde ich auf der ersten Seite von der Chefredakteurin begrüßt. Dann geht’s weiter mit der Rubrik „Die Kunst sich Zeit zu nehmen“, in der allerhand Krimskrams vorgestellt wird, den ich zum Gestalten und Genießen brauche: Kugelmoosbilder ab wohlfeile 150 Euro das Stück, Zahnpasta, eine Liebesbriefe-Box, Kakao. Aha. Abwarten. Das Eigentliche, was mir da vermittelt werden soll, wird schon noch kommen, denke ich. Weit gefehlt.
Yogamatten, Holzpostkarten, Schmusetiere
Auf der nächsten Seite geht’s munter weiter mit Produktvorschlägen: Tagebücher, Taschen, Blumensträuße, Holzpostkarten. Hoffnungslos überteuerte Yogamatten, Pölster und gehäkelte Schmusetiere. Wer hätte gedacht, dass ich für mein einfaches Leben, das mir dieses Blättchen doch offenbar versprechen will, so viel Zeug benötige? Einmal bis zum Ende durchgeschaut steht das Fazit fest: Gut 80 Prozent des Magazins sind Kaufempfehlungen, ergo Reklame. Mag sein, dass vieles davon nachhaltig, fair, biologisch etc. produziert worden ist. Aber was, wenn es eben ziemlich überflüssig ist? Wenn ich mir einfach keine gestrickten Wandteppiche kaufe und keine Zierkissen, die wie Riesenknoten ausschauen? Ist das nicht die bessere Wahl?
Lobet den Kaufrausch!
Und was soll der Tipp „Teppiche, warum nicht mal stapeln“? Echt jetzt? Fünf Teppiche kaufen, um sie vollkommen unsinnigerweise übereinander zu legen und den Co²-Abdruck nochmal zu verfünffachen?
Abgesehen von ein paar Texten, in denen Psycho-Geschichten abgehandelt werden („welche Vorsätze wirklich gut sind“, „Träume erfüllen“, „das kreative Leben“ ) wird in diesen Heften dem Materialismus gefrönt.
Ist ja nichts Verwerfliches daran, könnte man jetzt entgegnen. Das kennen wir doch von den anderen Frauenzeitschriften. Nur kommen die nicht in diesem pseudospirituellen Gewändchen daher. Sie stehen wenigstens dazu. Sie wollen den Lesern kein helles Entzücken abnötigen, wenn sie im Winter das Knirschen des Schnees unter den Schuhen hören.
Was soll das?
Und überhaupt – was will mir diese Lektüre als Frau vermitteln? Ich zumindest deute sie als Einladung in einen kompletten Rückzug ins Private. Kümmer dich um dein Wohlergehen! Putz deine eigenen vier Wände raus! Stricke einen Untersetzer, koche einen Karottenauflauf mit Pinienkernen und Rucola! Aber immer schön bewusst bei der Sache! Zupfe ein Blumenarrangement zurecht, bring das Öl mit Zimt zum Duften und, das wichtigste überhaupt: SEI GEFÄLLIGST GLÜCKLICH! Falls dir das nicht gelingt, dann hast du dich nicht genug ins Zeug gelegt! Dann reib dir das Tränchen aus deinen biederen Äuglein und bemüh dich mehr! Verziere noch ein paar Tagebücher und koch Quittenmarmelade ein! Dass so ein (Haus)Frauenbild im Jahr 2018 ernsthaft eine Renaissance erlebt… hätte mir das jemand in meinen Studentenjahren vorhergesagt, ich hätte ihm den Weißen Spritzer ins Gesicht geschüttet.
Mögen diese Hefte auch den ein oder anderen fair gehandelten Kaffee vorstellen. Mit Nachhaltigkeit hat das Ganze nicht viel zu tun. Sie muss hier nur als Etikett herhalten, als nettes Verkaufsargument, weil sie „gerade irgendwie modern ist“. Ein klassischer Fall von hübschem, grünem Mäntelchen, hinter dem sich schnöde reaktionäre Inhalte verbergen.
Peter Mechtel
24.02.2018, 19:33
Vielleicht ist diese geisteshaltung eine Form von Protest von den jungen Menschen. Weil von ihnen von Seiten der älteren immer erwartet sind dass sie verrückt sind und immer Spaß haben… Spaßzwang spzuaagen. Sie wehren sich mit spießigsein
und deswegen ziehen sie sich auch wie unsere Großeltern an
Doris
22.02.2018, 12:44
Ganz und gar meine Meinung! Weniger ist einfach mehr! Neuer Kram macht nicht automatisch glücklicher! Alte und überflüssige Sachen ausräumen und wegschmeißen oder gar verschenken hingegen schon! Eine materielle Katharsis die Spaß macht und nix kostet. Dafür sollten wir uns Zeit nehmen und darüber nachzudenken, ob wir vielleicht nicht schon hier und jetzt mit unserem Leben ziemlich glücklich sind. Soll ja schließlich auch mal vorkommen.
M. Checker
14.02.2018, 18:25
Stimmt – nur solange die leute diese magazine kaufen haben sie aber auch irgendwie eine berechtigung…
Steger
14.02.2018, 12:38
Ich lese diese Zeitschriften sehr gerne. Ich finde sie auch besser als die 0815 frauenzeitschriften weil mir nachhaltige da Tipps gegeben werden
beate schmid
13.02.2018, 15:40
ja stimmt genau 🙂 zum glücklichsein braucht´s bestimmt keinen krimskrams … und bestimmt kein reaktionäres weltbild!
Steffi
13.02.2018, 13:53
Gefällt mir! Da kann ich dir nur recht geben!
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