Sportmode & Nachhaltigkeit – Interview mit Re-Athlete
Sabine Schellander | 16.01.2018

Vor einiger Zeit bin ich durch Zufall auf das Unternehmen Re-Athlete gestoßen.
Als Sport“Irre“ und Nachhaltigkeitsberaterin war ich sofort begeistert: „Sport in Kombination mit ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit? Jaaaaaa, ich will.“
Ich habe also „gecrowdfunded“ und gehofft, dass Re-Athlete seine Füße auf den Boden bekommt. Das haben sie auch und seitdem verfolge ich Re-Athlete mit Freude auf allen Kommunikationskanälen. Und ich bin begeistert, was sie in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben und wie sehr sich ihr Auftritt verändert hat.
Grund genug dieses mal Re-Athlete zum Interview zu laden:
Bitte beschreibt kurz wer Ihr seid?
Das Gründungsteam von Re-Athlete besteht aus Alina Hische, 24 Jahre alt, zurzeit Psychologiestudentin und mir, Johannes Skowron, 23 Jahre alt, zurzeit MBA-Student (in Strategic Management).

Das Team © Re-Athlete, 2017
Wie kam es zu der Idee nachhaltige Sportmode zu machen?
Die Idee zur Gründung kam uns im Sommerurlaub 2016 in Portugal. Kurz vorher hatte ich meine Bachelorarbeit „Social Entrepreneurship in der Sportbranche“ geschrieben und dabei verschiedene soziale Geschäftsmodelle und Akteure am Markt analysiert. Hauptaugenmerk lag in der Einbindung verschiedener Zielgruppen in das Geschäftsmodell. In unserem Fall sind dies der Tier- und Umweltschutz, den wir durch unser nachhaltiges Material fördern sowie die Menschen, die wir durch unsere regionale Produktion unterstützen.
Was unterscheidet Re-Athlete von anderen, die auch ein nachhaltiges Bewusstsein haben?
Es ist die Kombination aus nachhaltigen Materialien, einer regionalen, sozialen Produktion, einem nachhaltigen Geschäftsmodell sowie einem ganzheitlichen Ansatz, wenn es zum Beispiel um die Auswahl unserer KundInnen geht.
Unserer Meinung nach kann man nicht von nachhaltigem Wirtschaften sprechen, solange nur die Materialien ökologisch sind, die Textilien aber trotzdem in einem Land mit „Fast-Fashion- Standards“ hergestellt werden. Da nützen oft auch die besten Zertifizierungen und Siegel nichts – eine Produktion in Entwicklungsländern ist in den meisten Fällen kritisch. Natürlich kann man nicht jede Produktionsstätte außerhalb Europas über einen Kamm scheren, aber wir haben keine Textilverarbeitung gefunden, die unseren Ansprüchen Genüge getan hat.
Neben der Produktion und der Materialauswahl verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz für verschiedene Kundengruppen. Wir bieten unsere Sportswear nicht nur für Einzelsportler an, sondern auch für Teams, Vereine, Gruppen oder Firmen. Wir arbeiten mit Sponsoren zusammen, die im Bereich des Sport-Sponsorings Nachhaltigkeit fördern wollenund bieten unseren Kunden ein Kommunikations-Service in Form von Blogbeiträgen, Social Media Posts und Pressemitteilungen an.
Woher kommt Euer Material und wie nachhaltig ist es wirklich?
Unser recyceltes Material stammt aus alten Fischernetzen und anderen Plastikkomponenten (z.B. Teppichfasern) aus den Weltmeeren und der Industrie. Die Netze werden u.a. von Tauchern der „Healthy Seas Initiative“ direkt aus den Meeren geborgen. Von jedem verkauften Produkt, geht aus diesem Grund auch ein Teil als Spende an die Initiative. Eine weitere Grundlage für das Recyclingmaterial bieten Produktionsabfälle aus der Wirtschaft.
Die Netze bestehen aus Nylon, welches von unserem Partnerunternehmen „Aquafil“ gereinigt und zu 100% regeneriert wird. Die dabei gewonnene Faser wird dann mit einem Gemisch aus Elasthan – 78% recycelte Polyamide und 22% Elasthan – zu unserem Funktionsstoff verarbeitet.
Dass es sich trotz allem um eine Kunstfaser handelt, die manche Leute nicht mit Nachhaltigkeit in Verbindung bringen, ist uns bewusst. Manchen Kunden missfällt beispielsweise das haptische Erlebnis des Stoffes, da sie an biologische Natur-Materialien gewöhnt sind. Andere lehnen prinzipiell Kunststoffe ab, da diese beim Waschen Mikroplastik abgeben. Das stimmt natürlich, unserer Meinung nach überwiegen aber aktuell die Vorteile unseres Recyclingmaterials.

© Aquafil S.p.A.
Hand aufs Herz: War es schwer, die Idee am Boden zu bringen?
Bei der Umsetzung unserer Geschäftsidee war die Suche nach passenden PartnerInnen, Lieferantinnen und Lieferanten und HändlerInnen am schwierigsten. Durch unsere Anforderungen schieden viele Unternehmen aus. Es war eine Vielzahl an E- Mails, Telefonaten und Fahrten vonnöten, um die geeigneten Unternehmen zu finden.
Viele schauen auf Eure Website und erwarten ein großes Sortiment an verschiedenen Produkten, welches ihr derzeit aber nicht habt. Warum könnt ihr nicht von Anfang an ein riesen Sortiment haben?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist das eine finanzielle Frage und zum anderen liegt das an der Zielsetzung regional zu produzieren. Wir können nicht mit derselben Geschwindigkeit produzieren wie große Textilfabriken. Unser Konzept beruht unter anderem auf dem Prinzip der Arbeitstherapie. Eine schnelle Massenproduktion entspricht nicht unseren Grundsätzen. Dazu kommt, dass wir ein kleines Gründerteam sind und es uns nicht möglich ist, uns ausschließlich mit der Erweiterung des Produktportfolios zu beschäftigen. Wir arbeiten aber immer wieder an neuen Designs, Produkten und Services.

Produktentwicklung © Re-Athlete, 2017
Die Zusammenarbeit mit den Sozialwerkstätten klingt super, ist aber sicher nicht einfach. Worin liegen hier die Schwierigkeiten?
Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, bestimmte Prozesse (Arbeitsgeschwindigkeit, Qualitätsicherung etc.) an die Produktionsweise der Werkstätten anzupassen. Darüber hinaus stößt man mit dieser Methode schnell an seine Produktionsgrenzen. Aus diesem Grund arbeiten wir aktuell an einer eigenen Produktionsstätte, die auch den Prinzipien Inklusion, Integration und Arbeitstherapie folgen soll.

Arbeit in den Sozialwerkstätten © Re-Athlete, 2017
Ihr achtet auf die Materialauswahl und auf die Produktion, gibt es noch mehr Aspekte im Sinne der Nachhaltigkeit auf die Ihr achtet?
Wir haben es uns zum Ziel gemacht eine nachhaltige und verantwortungsvolle Unternehmensstruktur zu gewährleisten. Das bedeutet beispielsweise auch, dass unsere Verpackungsmaterialien recycelt und biologisch abbaubar sind, unser Büro mit Öko-Strom versorgt wird und unsere Geschäftskonten bei Europas führender Nachhaltigkeitsbank angelegt sind. Selbst unsere Visitenkarten sind aus einem recycelten Pappmaterial. Künftig möchten wir auch, dass unser Online-Shop und unser Versand CO2-frei/neutral betrieben wird.
Irgendwie entsteht der Eindruck, dass kleine Marken, die sich auf den Begriff Nachhaltigkeit setzen, gerade boomen. Seid Ihr eine Modeerscheinung oder für die Ewigkeit?
Ob wir langfristig bestehen und wachsen können, ist von einem Umdenken der Gesellschaft abhängig. Der Bedarf an nachhaltiger Mode sowie die „Slow Fashion“-Bewegung wachsen aber zunehmend. Welche Unternehmen dauerhaft bestehen werden, wird sich zeigen. Viel liegt am Geschäftsmodell. Auch in unserem Segment gibt es schwarze Schafe, die dem Nachhaltigkeits-Trend nur nachlaufen, um Profit zu machen und nicht um einen gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben, aber bisher haben wir davon nur wenig mitbekommen.
Was wir allerdings stark wahrnehmen ist, dass manche Länder und Regionen mehr für Nachhaltigkeit sensibilisiert sind als andere. Der deutschsprachige Raum hinkt gerade in der Sportbranche deutlich hinterher. Wir bekommen zwar viel Zuspruch, merken aber immer wieder, dass gerade bei den wichtigen Akteuren in der (Sport-)Welt noch das richtige Bewusstsein fehlt. Wir sind aber überzeugt, dass sich in Zukunft mehr Leute einen nachhaltigeren Lebensstil aneignen werden und bestimmte Vorgänge hinterfragen werden, anstatt einfach blind zu konsumieren.
Brennen für eine Idee, ja! Aber ausbrennen für eine, nein. Geht das als Start-Up?
Das kommt drauf an, was man erwartet. Ich glaube jedes Gründerteam kann bestätigen, dass es in den ersten Phasen sowohl zeitlich, finanziell und emotional Höhen und Tiefen gibt. Manchmal gibt es richtig tolle Phasen, wo alles wie am Schnürchen läuft und dann kommen diverse Tiefschläge, die einen ans Aufgeben denken lassen. Natürlich brennt man dabei auch so sehr für seine Idee, dass es passieren kann, dass man andere Bereiche wie sein Privatleben vernachlässigt. Auf der anderen Seite wäre es ohne diesen unablässigen Willen oft nicht möglich voranzukommen. Daher sagen wir: Brennen? Ja, so stark und hell wie es nun mal geht. Ausbrennen? Nein.
Wenn Ihr einen Wunsch freihättet?
Dann hätten wir gleich zwei Wünsche…
- Die zeitnahe Umsetzung und Realisierung unserer eigenen Produktionsstätte.
- Ein lägerfristiges Umdenken in der (Sport-)Welt. Wir wünschen uns mehr Visionäre, Weltverbesserer und eine Vielzahl an nachhaltigen Konzepten!
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