Resümee – Was bleibt vom Feldversuch?
Stefan Deinhofer | 26.10.2017

„Dann hab‘ ich einfach den Stecker um 180° gedreht und alles hat reibungslos funktioniert.“
Wer kennt es nicht: Der Computer hat ein unlösbares Problem, irgendetwas klappt nicht so wie es soll. Also, was tun? Trick 17, Computer ausschalten und wieder einschalten. Na bitte.
Scheinbar wird sich der Trick 17 bei den e-Autos noch als Einser-Trick etablieren, ginge es nach den praktischen Erlebnissen meiner Nachbarinnen und Nachbarn. Denn wenn etwas beim Laden der Autos nicht glatt lief – was sehr selten der Fall gewesen ist- half das Aus-und-wieder-Einstecken immer.
Uneinigkeit
Es gibt aber auch einige umstrittene Mythen, die sich rund um den Feldversuch bis heute herumgesprochen haben. Nachbar A meinte, die Ladekapazität würde darunter leiden, wenn man den Akku bei jeder Gelegenheit voll auflädt. Nachbar B hingegen ist davon überzeugt, dass vermutlich das Ausreizen des Akkus die Langlebigkeit des Speichers negativ beeinflusst. Oder: Steckt man das Ladekabel zuerst beim Auto an oder doch bei der Ladestation? Sogar Expertinnen und Experten scheinen sich in diesen kleinen Nebenfragen noch uneinig zu sein.

e-Auto beim Laden
Positive Bilanz
Fakt ist aber, dass der Versuch technisch geglückt ist. Die vielen stromfressenden Autos in der Lehensiedlung ließen keineswegs die duftenden Abendessen kalt. Sie luden stets voll und taten ihren Zweck. Und keiner hatte den Eindruck, dass das Stromnetz kurzzeitig zusammenbrechen könnte. Eines ist aber wichtig: Das Laden braucht natürlich deutlich mehr Zeit als es sonst an der Zapfsäule tut. Deswegen praktizierten es die meisten von uns so, dass das Auto einfach über Nacht angesteckt wurde. Das Vorausplanen spart man sich so. Und weil dies jedem so recht war, verzichtete der Großteil auf das Aufladen bei den hunderten öffentlichen Stromtankstellen, die im Alpenvorland bereits installiert sind.
Jedes Licht bringt auch Schatten
Mein Sportlerherz blutet aber bei einem Aspekt. Die Versuchung ist sehr groß, die kurzen Wege nicht mehr zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen, sondern mit dem „ach, so umweltfreundlichen“ e-Auto. Man wird einfach bequem, das ist unbestreitbar.
Vor allem in Städten wie Wien oder Linz sehe ich dadurch ein Problem. Auch wenn alle dort mit dem e-Auto fahren, bleiben doch das leidige Parkplatzproblem und die morgendlichen Staus zu den Stoßzeiten erhalten. Und wenn mehr Öffi-BenutzerInnen und RadfahrerInnen aufs e-Auto umsteigen werden diese Herausforderungen vermutlich noch schwieriger. Da gibt es meiner Ansicht nach Bedarf zum Umdenken. Während am Land das Elektro-Auto die nachhaltige Mobilität fördert, tut es in städtischen Bereichen, wo Platz eher Mangelware ist, vermehrt das Gegenteil.
Bedenken sollte man auch, dass das e-Auto auch nur dann als einigermaßen nachhaltig bezeichnet werden sollte, wenn die Energie zum Betrieb ausschließlich aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird. Wenn Kohle oder Uran am Anfang der Stromerzeugung stehen, wird die ökologische Komponente der mit ihnen angetriebenen Elektroautos sicherlich darunter leiden.
Vorausblick
Seit meinem Feldversuch bin ich überzeugt, dass sich die E-Mobilität mit Schnelligkeit ausbreiten und weiterentwickeln wird. Unser Versuch treibt den Aufschwung in Österreich aufgrund der durchaus positiven Erkenntnisse sicherlich noch weiter voran. Technisch gibt’s sicher noch Luft nach oben, dabei mach ich mir aber am wenigsten Sorgen.
Matthias Komarek
31.10.2017, 10:40
Hallo Stefan!
Danke für dein Resümee und das Engagement beim Feldversuch mitzumachen – das gilt natürlich stellvertretend für die ganze Lehensiedlung! Ich hoffe, die Trennung vom e-Auto ging gut über die Bühne 😉
Als Mitglied des Projektteams kann ich auch an dieser Stelle gleich eine kurze Zusammenfassung geben – vorbehalten der genauen Auswertungen in den nächsten Monaten. Auch aus unserer Sicht war der Feldversuch ein toller Erfolg mit vielen wertvollen Erkenntnissen für eine spannende e-mobile Zukunft. Gott sei Dank ist es nicht finster geworden und die Autos waren in der Früh immer ausreichend geladen Wir haben gesehen, dass es erwartungsgemäß abends zum Teil beachtliche Spitzenleistungen im Netz gegeben hat, die aber aufgrund des gut dimensionierten Netzes verkraftbar waren. Ebenso zeigt sich eine gute Möglichkeit zukünftig Lasten in verbrauchsärmere Zeiten zu verschieben – die Nacht ist ja ausreichend lange und auch tagsüber gäbe es noch großes Potential, würde man wirklich zu allen Standzeiten das e-Auto anstecken. Zusätzlich konnten wir – erwartungsgemäß – feststellen, dass nicht immer alle zur selben Zeit heimkommen und dann das e-Auto zum Laden anstecken; die Gleichzeitigkeit ist überschaubar.
Wo liegen nun die Herausforderungen der Zukunft? Das Rückgrat Stromnetz ist für unser tägliches Leben von großer Bedeutung und muss im Sinne der Versorgungssicherheit weiterhin „geschützt“ werden. Die mehr werdenden e-Autos kommen als weiterer potentieller Großverbraucher hinzu – dem kann man in erster Linie ganz gut mit intelligenter Ladung begegnen. Dazu müssen die e-Autos, Ladestationen und das Stromnetz noch besser miteinander sprechen lernen. Sie können sich schon ganz gut unterhalten, haben aber zum Teil noch einen unterschiedlichen Dialekt 😉
Nochmals DANKE fürs Mitmachen und auf in eine e-mobile Zukunft! Liebe Grüße – Matthias.
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