Mitten im e-Mobilität Feldversuch: Das NachbarInnen-Interview
Stefan Deinhofer | 19.10.2017

Heute hab‘ ich einmal bei sämtlichen Haustüren angeklopft und nachgefragt, wie dort die Zwischenbilanz unseres e-Mobilität – Feldversuches aussieht. Die häufigsten Rückmeldungen sind:
Das Fahren
Über den grundsätzlichen Fahreindruck hörte ich in meinen Gesprächen wenig Negatives. Einige Nachbarn, die ich gefragt habe, bevorzugen sogar das Elektroauto. Es ist wendiger, leicht zu bedienen und beim Fahren im hügeligen Gelände optimal. Ein Nachbar meinte, dass das Elektroauto häufig nicht als potentielle Gefahr im Straßenverkehr angesehen wird. Seiner Schilderung nach verhielten sich FußgängerInnen und RadfahrerInnen einige Male beim E-Auto unvorsichtiger als gegenüber dem lauten Dieselauto.
Alles mit dem E-Auto?
Wenn’s ums Fahren geht, steht sicher nichts im Weg, komplett auf E-Mobilität umzusteigen. Also hab ich folgende Frage gestellt: „Könntest du dir das E-Auto als Erst-Auto vorstellen?“ Und keiner hat mit ja geantwortet – aus einem einheitlichem Grund: Die Reichweite des Autos. Vor allem diejenigen, die mit dem Auto zur Arbeit fahren, betonten, dass die Kapazität ihres Leihautos noch nicht ausreicht. Für Kurzstrecken super, sobald die Kilometerzahl dreistellig wird, weniger. Nur einer von 5 Befragten meinte, er überlege im Moment noch, sein einziges Benzinauto aufzugeben. Sein Beweggrund: Die mittlerweile gut ausgebaute Ladestations-Infrastruktur im Alpenvorland.
Stichpunkt Ladestation
Geladen wird das Auto ja prinzipiell bei jedem zu Hause. Man will herausfinden, inwiefern der Stromverbrauch durch das Laden das gesamte Stromnetz beeinflusst. Im schlimmsten Fall könnte es nämlich sein, dass die Stromversorgung in der Lehensiedlung aufgrund der Überlastung den Geist aufgibt. Bis jetzt sieht’s gut aus: Das Fett in der Pfanne ist trotz aktiver Ladestationen in jedem Haushalt noch rund um die Uhr heiß geworden.
Für das Tanken abseits der Lehensiedlung wurde uns eine EVN Tankkarte ausgehändigt, mit der wir bei jeder der über 1.300 Ladestationen österreichweit unser Auto tanken können.
Dies trieb eine Nachbarin bis in die Gartenmesse nach Tulln. Auf einer Ladestation-Karte im Internet sei ihr in unmittelbare Nähe der Veranstaltung eine Gratis-Stromtankstelle angezeigt worden, die dann tatsächlich nicht gratis war. Mit der letzten Stromreserve konnte sie noch eine der naheliegenden EVN Stromtankstellen erreichen. Zu ihrer Ernüchterung jedoch passte der vorhandene Starkstromstecker nicht zum Kabel. Also trat Plan C in Kraft: Mit einem gewöhnlichen Stromkabel aufladen. Das Laden des Auto-Elektromotors war damit natürlich eine lange Prozedur. Auch das kann unter Umständen passieren.

Ein paar Teilnehmer
Fazit der Interviews
Am Anfang des Projekts war ich gespannt, inwiefern die Komplettumstellung auf abgasfreien Antrieb den Alltag von uns Projektteilnehmerinnen und Projektteilnehmer verändern würde. Ich hab‘ mir verschiedene Szenarien vorgestellt. Und siehe da, es ist jetzt das eingetreten – wie könnte es auch anders sein – welches ich von Anfang an ausgeschlossen habe, nämlich, dass sich der Alltag kaum verändert. Das meinten auch alle Nachbarinnen und Nachbarn. Die Zweifel, die einige am Anfang gehabt haben, sind verflogen. Denn wir haben erfahren, dass sich Grundlegendes verändern kann, ohne dass die tägliche Routine auf den Kopf gestellt wird. Ganz auf die Elektroautos verlassen will sich allerdings auch noch keiner.
Wie sieht das bei euch aus? Käme das für euch infrage?
Nun blicken alle Versuchsteilnehmer schon mit einem Auge in Richtung Ende des Feldversuches. Dass man das Auto Anfang November wieder abgeben muss, bleibt ein kleiner Wermutstropfen. Gespannt sind wir jedoch, wie das Schlussfazit auf Seiten der Organisatoren aussieht. Besteht die Technik den praktischen Test? Ich werde euch am neuesten Stand halten.
Zum Nachlesen:
Elektromobilität kommt schneller als erwartet
Hans Wagner
22.10.2017, 13:46
Hallo Stefan, wir fahren seit Jänner 2012 mit einem Mitsubishi iMiEV. Wenn mich jemand auf der Straße wegen Reichweite anspricht dann ist meine Antwort „im Sommer 100km, im Winter 60-70 km“. Zugegebenermaßen haben wir unseren Lebensalltag etwas verändert. Wo früher ein Tagesausflug durchgeführt wurde ohne nachzudenken, planen wir heute was / wann / wie. Uns geht es sehr gut damit! Mit dem vormaligen „Fossilen Fahrzeug“ fuhren wir 15.000 Jahreskilometer, mit dem E-Auto sind es knapp 10.000 Jahreskilometer. Viele Wege werden mit der Bahn und mit dem Fahrrad erledigt. Wir haben uns heuer erstmals eine EVN-Ladekarte besorgt um einen Kurzurlaub in Zwettl verbringen zu können. Vergangenes Jahr führte uns ein Kurzurlaub über Grundlsee – Reiteralm – Windischgarsten – zurück zum Sonntagberg. Auch das ging anstandslos mit Ladevorgagängen an normalen SCHUKO-Steckdosen. Sonst kommen wir in den verdienten Urlaub mit Rad und Bahn – einfach SUPER mit spannenden Erlebnissen.
Wo ich dir recht gebe: eine Umstellung von fossil auf nachhaltig geht ohne Verhaltensänderung nicht. Für uns persönlich war und ist diese Verhaltensänderung positiv. Uns geht es sehr gut damit.
Stefan Deinhofer
03.11.2017, 13:40
Eure Herangehensweise finde ich bemerkenswert! Viele, mit denen ich gesprochen habe, meinten, sie könnten es sich nicht vorstellen, eine Distanz, die über der Reichweite liegt, mit einer Ladepause zurückzulegen. Vorausplanen ist halt für die meisten zu umständlich.
Matthias Komarek
20.10.2017, 11:00
… ach ja, noch kurz zu den Ladestationen 😉 Es dürfte überall gleich sein, dass nahezu alle Ladungen daheim oder am Arbeitsplatz in bekannter Umgebung stattfinden. Aber manches Mal ist dann doch eine Zwischenladung in der Ferne nötig um wieder heim zu kommen 🙂
Ehrlichgesagt bin ich auch nicht ganz glücklich über die derzeitige Situation. Abgesehen von Auto-Navi, welches mehr oder weniger brauchbar sein kann, muss man sich halt vorher hinsetzten und auf bestehenden Plattformen schauen, wo man wie laden kann – die Info dazu muss leider nicht immer stimmen!
Aber es ist Besserung in Sicht – ich habe mich diese Woche schlau gemacht – das lange erwartete offizielle Register mit gesicherten Einträgen der öffentlichen Ladestationen steht demnach „kurz“ vor der Umsetzung, ein bißchen müssen wir uns noch gedulden. Damit hat man bereits im Vorfeld alle nötigen Infos! Was aber weiterhin nicht klappen wird als einzige Konstellation: Ein Typ1-Auto kann man bei einer Ladestation mit einem fix installierten Typ2-Kabel nicht laden, Gott sei Dank ist diese Konstellation nicht allzu häufig, da meistens Typ2-Steckdosen installiert sind …
Matthias Komarek
20.10.2017, 10:54
Hallo Stefan, das mit dem Erst- oder Zweitauto überrascht mich! Ich kenne nämlich nur Leute, bei denen das e-Auto zwar oft als Zweitauto angeschafft wurde, dann aber sehr schnell zum Erstauto wurde, weil damit nahezu alle Wege bewältigt werden konnten – aber es kommt natürlich sehr auf das eigene Mobilitätsverhalten und auf das e-Auto an.
Bei mir selber ist es ja so, dass wir seit über 4 Jahren das e-Auto als Erstauto nutzen und damit sogar – natürlich nur mit Ladepausen – in den Urlaub fahren. Unser e-Auto ist zwar noch eines der „älteren“ Generation, aber wir entsprechen offenbar ganz gut dem NÖ-Schnitt mit nicht einmal 40 km pro Tag, da genügt es das e-Auto alle paar Tage aufzuladen. Speziell mit den tatsächlichen Reichweiten von 200 km und mehr von heute aktuellen e-Autos kann man schon ziemlich uneingeschränkt unterwegs sein – ich freue mich auf eine e-mobile Zukunft und bin ebenso gespannt auf die Erkenntnisse eures Feldversuchs!
LG – Matthias.
Stefan Deinhofer
03.11.2017, 13:48
Ganz meinerseits. Wir können auch mit dem e-Auto 95% aller Wege theoretisch mit einer Ladung zurücklegen und taten das auch in den letzten Wochen. Viele beruhen sich (meist unbegründet) noch immer auf die Sicherheitsvariante. Ich glaub, es braucht noch ein bisschen Zeit und mehr Feldversuche. 😉
Freundliche Grüße,
Stefan Deinhofer
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