Bye bye, Baby!

Natalie Oberhollenzer | 05.09.2017

Warum nur, warum, warum, warum, wird das Smartphone immer so schnell hin?

Neulich war es wieder einmal so weit. Mein Handy hat den Geist aufgegeben. Auf einmal wollte der Bildschirm nicht mehr. Was also tun, wenn man sich selber nicht auskennt? Man geht zu einem Shop seines Telefonie-Anbieters um sich dort das sagen zu lassen, was man eh schon befürchtet: Da ist nichts mehr zu machen.

In meinem Kopf formten sich ein paar unschöne Sätze, die ich lieber für mich behielt. Aber man merkte mir wohl an, dass da etwas in mir aufschäumte. Also versuchte der Mitarbeiter meinem Verdruss in professioneller, wenngleich gelangweilter Manier entgegenzuwirken. Er sah sich meinen Vertrag an, erklärte mir, dass es ohnehin schon Zeit für eine Verlängerung sei und dass mein Smartphone gar nicht mehr zeitgemäß sei. Dass sich da ein tolles Angebot machen ließ, mit viel Internet, viel Freiminuten und einem Handy, das ungeheuer viel kann. Er zeigte mir ein Modell, das mir gut gefiel, weil es golden glänzte. Er redete weiter, über die technischen Details, der Schnickschnack hier, die neue Funktion da. Ich verstand nicht viel, klinkte mich gedanklich aus, unterbrach ihn dann bald mal und sagte ihm ich nehm‘s.

Mit nur mehr sechs Nummern, davon fünf Servicelines und eine von einer Freundin in meinem neuen Handy verließ ich den Shop. Die restlichen Kontakte wären vielleicht in einer Cloud, erklärte er noch und während ich durch dieses Einkaufszentrum ging, wütend, überfordert und hilflos ohne die ganzen Telefonnummern fiel mir auf, dass mir das immer wieder passierte, circa alle anderthalb Jahre, immer dann wenn ich mich so richtig an mein Telefon gewöhnt habe und das meiste was ich brauche aus dem Efef beherrsche wird es kaputt.

Muss das sein? Gibt es nicht eine Menge Menschen wie mich, die das Handy bloß für 08/15-Sachen gebrauchen? Die nicht jedes Jahr eine neue Kamera mit noch mehr Auflösung, eine Erkennung per Fingerabdruck und wasweißichwelchen Firlefanz? Kann man all denen, die am Gewohnten hängen nicht ein langlebiges Handy anbieten?

Obsoleszenz, geplant oder nicht?

Das fragte ich einen Kumpel, der bei einem dieser großen Smartphonemarken arbeitet. Er lachte mich aus, erläuterte mir, warum ich da die Quadratur des Kreises verlange. Die moderne Technik sei eben schnelllebig, es müsse alles immer mehr können und besser gehen. Wir brauchen das Gerät viel mehr als früher das Haustelefon, das man ohnehin nicht mit einem Smartphone vergleichen dürfe. Letzteres ist viel Technik auf kleinem Raum, also anfällig für Defekte. Ein alleskönnender Minicomputer, den wir überall mit uns herumtragen, Gedächtnisstütze, ein Apparat, das beträchtliche Teile unserer Denkleistung übernimmt. Ein Wunderding! Kein Wunder, dass wir alle nur mehr ständig draufgaffen!

Als ich dann anfing über die geplante Obsoleszenz zu reden, also die absichtlich eingebauten Schwachstellen in Elektrogeräten, damit sie schneller kaputt werden und mehr davon verkauft werden können, lachte er mich wieder aus. „Smartphones werden vielleicht nicht so produziert, dass sie so lange wie möglich leben, aber so lange wie nötig“, meinte er dann. Weil eben klar sei, dass ein Handy nach einigen Jahren schon wieder zum alten Eisen gehört, werde es auch nicht für einen Jahrzehnte langen Gebrauch angelegt. Tatsächlich, meint er, wollten die meisten permanent neue und bessere Geräte, da sei in Fachkreisen von der sogenannten psychologischen Obsoleszenz die Rede und die spiele in Wahrheit eine viel größere Rolle.

Das ewige Henne-Ei-Problem also. Die Industrie sagt, der Kunde will es so. Der Kunde aber kann auch nur das kaufen, was im angeboten wird.

Eine geplante Obsoleszenz (in Bezug auf absichtlich eingebaute Schwachstellen) konnte jedenfalls zumindest bei Smartphones nie wirklich nachgewiesen werden. Wohl aber fand man heraus, dass Elektrogroßgeräte, wie Fernseher und Waschmaschinen in der heutigen Zeit weit weniger lange in Gebrauch sind als noch vor 30 Jahren. Generell spielen eine Menge Faktoren mit ein, wenn es um die Lebensdauer einer technischen Gerätschaft geht: Die Service- und Update-intensität, die Verfügbarkeit und Haltbarkeit von Ersatzteilen und vieles mehr. Die Sache ist weit komplizierter, als die „Industrie = Täter – Kunde = Opfer-Formel“.

Und dennoch – dass es so schwer ist ein Smartphone herzustellen, das länger hält als zwei, drei Jahre, das mag ich nicht so recht glauben. Mehr leuchtet mir da schon ein, dass die Damen und Herren im Silicon Valley, in Seoul und Shenzhen kein großes Interesse daran haben.

Zum Weiterlesen:

Interview mit Sepp Eisenriegler, RUSZ

Kommentare

  • MrsVron

    12.09.2017, 17:57

    Wenn man die lange Kette zur Herstellung eines Smartphones zurückverfolgt landet man im Kongo. Da wird einem schnell bewusst was unser Handy mit Sklaverei, Ausbeutung und Kriegen zu tun hat. Es ist leider eine Kette aus Profitgier und Gewalt. In jedem unserer Smartphones sind bis zu 30 verschiedene verarbeitete Metalle,etwa die Hälfte stammt aus den Gold-, Coltan-, Zinnerz- und Wolfram-Minen des Ost-Kongo, speziell aus der Region in der Nähe zu Ruanda. Es wäre schön wenn die Weltgemeinschaft es schaffen würde, ein Alternative zu den „Bluthandys“ zu finden.

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  • D.

    12.09.2017, 11:20

    Das fairphone ist das weltweit erste modulare Smartphone, dass extra dafür gemacht ist, lange zu halten. Man kann es extra leicht reparieren und Teile davon erneuern um immer am neuesten Stand der Technik zu sein. Somit baut man zb.: eine bessere Kamera ein anstatt gleich das ganze Gerät (hoffentlich) recyceln zu müssen. 😉 Nachzulesen auf: https://www.fairphone.com/de/unsere-ziele/

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  • Fairman

    10.09.2017, 14:28

    Es gibt mittlerweile auch ein fairphone das lange halten soll…

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