So nah so gut.

Sabine Schellander | 23.08.2016

Wandern&Rudern, © Schellander

Was tun, wenn es draußen wieder wärmer und freundlicher wird und jede Pore des eigenen Körpers nach Aktion, Abenteuer und Frischluft schreit? Man muss raus und was unternehmen.

Was macht man aber, wenn man einen Fulltime-Job und Familie hat und nicht jederzeit einfach für ein paar Tage abhauen kann? Man wartet auf den Urlaub und bucht dann einen Flug und jede Menge Aktion dazu?!

Nein. Man bucht keinen Flug, sondern man setzt sich damit auseinander, was einen glücklich macht. Was einem „den Kick“ bringt und überlegt sich, wie man das möglichst nah und ressourcensparend realisieren kann.

Als das Kribbeln im Bauch wieder groß wurde heuer, haben wir genau das getan und dabei ist folgendes Abenteuer für uns rausgekommen:

Wassersport ist die große Leidenschaft von meinem Freund und mir und wir verbringen wirklich viele viele Tage im Jahr im, auf und am Wasser. Das tun wir in der Regel auf einem Board stehend, paddelnd und surfend. Diesen „Spaß“ treiben wir so weit, dass wir uns stundenlang bei Rennen quer durch Europa quälen. Das ist zwar super toll, aber auf Dauer ist es nicht der große Kick, außerdem verbringt man – um ehrlich zu sein – mehr Zeit im Auto als am Wasser. Da macht es schon wesentlich mehr Spaß, die österreichische Flusslandschaft zu erkunden. Dennoch wollten wir es dieses Jahr noch ein wenig weiter treiben. Und das haben wir auch.

Seit ich ein Kind bin, liebe ich die Berge. Das liegt vielleicht daran, dass ich so halb in Kärnten und halb in Wien aufgewachsen bin und die Sehnsucht in Wien nach Natur immer mit dem Bedürfnis nach Bergen verbunden war. Es gibt nichts Schöneres, als auf einem Berggipfel zu stehen und sich dem Perspektivenwechsel hinzugeben. Ich würde sogar sagen, für mich ist das Entschleunigung pur. Erstens ticken die Uhren anders am Berg, zweitens gibt es soviel tolle Orte, die so nahe sind und denen wir oft so wenig Aufmerksamkeit schenken, weil wir nur von einem Urlaub weit weg träumen. Und drittens realisiert man erst wie unwichtig man ist, wenn man auf die Welt hinunter schaut.

Jetzt gehören wir aber nicht zu den totalen Bergfexen, die jedes Wochenende im Klettergurt ausrücken und 10 verschiedene abzippbare Berghosen zu Hause haben. Nein, wir sind Wassersportler, die vermutlich ein wenig irre sind, Berge lieben aber jetzt nicht allzu viel Zeit in den Bergen verbringen. Aber egal – für uns war klar, die Kombination aus Berg und Wasser muss her und die heißt ganz klar: Bergsee.

Also haben wir uns schlau gemacht und recherchiert, welche tollen Bergseen es in Österreich gibt. Wichtig war für uns, dass man hinauf gehen muss und nicht mit der Gondel, dem Bus oder dem Auto gemütlich bis zum See fahren kann. Schließlich waren wir ja auf der Suche nach einer Herausforderung und einem Abenteuer. (Das ich soooo viel Herausforderung bekommen sollte, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar!).

Es ist unglaublich, wie viele tolle Plätze es in Österreich gibt und was für wundervolle Augenblicke man so nahe erleben kann, ohne dafür viel Geld in die Hand nehmen zu müssen oder unseren CO2-Fußabdruck maßlos zu belasten.

Da waren wir also mit unserem Plan und einem freien Wochenende. Wir haben sogar passende Boards zur Verfügung gestellt bekommen, was für uns nicht ganz unwichtig war, da wir schließlich auch unser Equipment auf den Berg schleppen mussten. Die Suche nach robustem und vor allem leichtem Equipment war somit auch erfolgreich abgeschlossen. Jetzt mussten wir „nur“ noch rauf auf knappe 1.600 Meter.

Beim Wegfahren am morgen war ich guter Dinge, mir war zwar bewusst, dass das nicht zwingend „ein Spaziergang“ wird, aber ich hab mich super gefreut, endlich mal „etwas anderes zu machen“. Am Weg in ein nächstes Abenteuer, YIIHHAAAAAA. Am Ausgangspunkt angekommen, fing es zu schütten an, was schon das Rucksäcke packen, zur Herausforderung machte. Ersatzgewand und Co wanderten in wasserfeste Säcke und wurden irgendwo zwischen Boards, Pumpe, Paddel und Proviant verstaut.

Los geht´s mit Wanderschuhen & Paddel

Los geht´s mit Wanderschuhen & Paddel

Ich weiß nicht genau WIEVIEL unsere Rücksäcke wogen, aber ich schätze um die 18 kg. Ist eigentlich nicht viel, wenn man das so hört, oder? Aber mit der Zeit hängen sich 18kg gaaaannnzz schön rein, das kann ich Euch sagen.

Der Anfang war gemütlich und wir waren guter Dinge. Der Regen lies nach und es ging dahin. Dann kam der Aufstieg und mit ihm wurden wir von Stunde zu Stunde etwas schweigsamer. Lustig war, dass alle Menschen, denen wir begegneten, uns ausnahmslos alle fragten: „Was habt ihr denn mit dem Paddel vor am Berg.“ Was wir wiederrum ausnahmslos mit „na, paddeln!“ beantworteten.

3,5 Stunden stiegen wir bergauf. Bis wir oben waren, hatte ich bereits 2/3 meines Ersatzgewandes gebraucht, vor lauter „Zerrinnen“. 3,5 Stunden hab ich mir gedacht, „aber, du bist doch eigentlich fit. Oder? Du machst regelmäßig Sport. Viel Sport. Gibt´s ja nicht, dass sich das so zaht.“ Meinem Freund gegenüber hab ich mich aber – ganz Mädchen – natürlich heroisch gegeben: „Nein nein, geht schon, der Rucksack ist gar nicht schwer.“ „Super easy ist das – kein Thema. Das geht alles, auch ohne Stecken.“ Bis zu „nein, nein, mir ist nicht kalt“ habe ich alle Stücke der selbstständigen, starken und sportlichen Frau gespielt!

Der Ausblick, die Stimmung und die Momente, als wir immer wieder inne hielten, waren aber unbezahlbar und jeden Schritt wert. Und als sich vor uns der Bergsee auftat, war ich begeistert. Es war großartig. Es war zwar, weder so sonnig wie erhofft und auch nicht so warm, wie gewünscht, aber es war schlichtweg „magic“. Die Ruhe und Stille war wundervoll und die Tatsache, das zu tun, was man liebt, an einer Stelle, an der es vermutlich noch nie jemand getan hat und das mit einem besonderen Menschen an seiner Seite, war wundervoll. (An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, dass wir natürlich auf unsere Umgebung aufgepasst haben. Wir haben unseren Müll mitgenommen und auch sonst darauf geachtet, mit unserer „Paddelei“ so wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen. Unsere Berge sowie Bergseen sind besonders empfindliche Ökosysteme und diese wollen wir weder stören noch schädigen!)

OK, ich gebe zu, es war auch ein wenig gruselig. Der See war so tiefschwarz, dass ich eigentlich die meiste Zeit nur auf das „Ur-Getier“ gewartet hab, das uns in Kürze verschlingen würde. Aber aus irgendwelchen Gründen kam es nicht. Vielleicht waren wir schlichtweg zu verschwitzt.

Nach einer kurzen Pause und einigen genussvollen, ruhigen Minuten machten wir uns wieder auf den Weg nach Hause. Wir hatten leider unsere Zeitplanung nicht ganz richtig angelegt oder einfach zu viel Zeit vertrödelt. Wie auch immer, es war an der Zeit aufzubrechen. Der Weg hinunter war steil, anstrengend und nass und den wollte ich nicht in der Dunkelheit zurücklegen. Auf der Hütte, oben nahe dem Gipfel, war leider kein Platz mehr frei. Die Idee, dass Urlaub zu Hause in den Bergen toll ist, hatten auch noch andere Menschen. Wir mussten also wieder runter. Das ging zwar schneller als hinauf, war aber nicht wirklich weniger anstrengend. Mit jeder Stunde spürte ich die 18 kg hinten mehr und die letzten 30 Minuten stand ich kurz davor, eine Hubschrauberbergung ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Der Moment den Rucksack beim Auto abzulegen, war kurzzeitig mindestens so schön, wie der Ausblick vom Berg oder Weihnachten und Ostern zusammen.

Geschafft!

Geschafft!

Ich war kaputt. Oh ja, ich war völlig kaputt.

Alles in allem waren es 6 Stunden Gehzeit, dazwischen Material aufbauen, paddeln, abbauen, wieder packen, sowie 2 Kornspitz. Aber ich möchte nicht eine Minute davon missen. Genauso wenig, wie den Sprung in den eiskalten Traunsee in der Dämmerung und den Geschmack des frischen (heimischen!) Fisches am Ufer desselbigen.

Für viele mag es nicht nach einem Mega-Abenteuer klingen oder nach einer wahnsinnigen sportlichen Leistung, aber darum geht es auch nicht. Es geht darum, etwas zu finden, das man machen möchte, etwas das einem viel bedeutet und das dann auch schlussendlich zu realisieren.

Für uns war es ein fantastischer Tag und das Schönste daran ist, dass der Schweiß und die müden Füße längst vergessen sind und die Liste an Bergseen in und um Österreich immer länger wird.

Wir!

 

Kommentare

  • Eva

    23.08.2016, 19:19

    Bei welchem Bergsee wart ihr? Den Traunsee undUmgebung kenn ich nämlich ganz gut 🙂

    Antworten
    • Sabine Schellander

      29.08.2016, 21:05

      Liebe Eva – wir waren am Wildenseeee! LG Sabine

  • Jürgen

    23.08.2016, 11:56

    Hahah 🙂 Ich kann das ganz gut nachvollziehen – ich habe mir auch schon bei diversen Berg- und Mountainbiketouren die Lunge aus dem Leib gehustet – aber das Gefühl wenn man an seine Grenzen kommt und es dann trotzdem geschafft hat, ist unbeschreiblich!

    Antworten
    • Sabine Schellander

      29.08.2016, 21:06

      jaaaa – genau so ist es! Und genau wegen DIESEM Gefühl macht man das! LG Sabine

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