Interview mit LAbg. Bgm. Anton Kasser

Luise Steininger | 28.07.2016

Interview mit LAbg. Bgm. Anton Kasser, © eNu
Interview mit LAbg. Bgm. Anton Kasser

Anton Kasser ist Abgeordneter zum NÖ Landtag, Bürgermeister von Allhartsberg und seit Dezember 2015 Präsident der NÖ Umweltverbände. Im Interview sprach er unter anderem über das geänderte Bewusstsein der Menschen, dass Abfall auch noch wertvoller Rohstoff sein kann, wenn dieser getrennt gesammelt wird. Er erläuterte die Herausforderungen in der Abfallwirtschaft und seine Ziele der nächsten Jahre und verriet, dass er im Haushalt keinesfalls auf seine Kaffeemaschine verzichten möchte.

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Luise Steininger: Neben Ihren Tätigkeiten als Landtagsabgeordneter und Bürgermeister haben Sie Ende 2015 die Präsidentschaft der NÖ Umweltverbände übernommen. Möchten Sie für unsere LeserInnen bitte kurz die Umweltverbände und Ihre Aufgaben als Präsident vorstellen?

LAbg. Bgm. Anton Kasser: Grundsätzlich ist die kommunale Abfallwirtschaft eine Aufgabe der Gemeinde, d.h. die Gemeinde hat dafür zu sorgen, dass die Abfallwirtschaft geordnet passiert. Dazu haben sich fast alle niederösterreichischen Gemeinden bereits 1990 zu Verbänden zusammengeschlossen und die Aufgabe der Abfallwirtschaft an diese Verbände übertragen – inkl. der Gebührengestaltung, Müllentsorgung, … Folglich war es naheliegend, dass sich diese Verbände auf Landesebene zusammenschließen und es wurde der Verein der NÖ Umweltverbände gegründet. Dieser hat den Auftrag die Interessen der kommunalen Abfallwirtschaft in den Gemeinden gegenüber der Politik zu vertreten und koordiniert eine einheitliche Vorgehensweise bei Punkten wie der Abgeltung von Verpackungen im Restmüll, bei den Überlegungen für einheitliche Standards in allen Verbänden beim Betrieb der Abfallsammelzentren etc. Außerdem gibt es in allen Verbänden AbfallberaterInnen und es werden Schwerpunkte in der Öffentlichkeitsarbeit gesetzt, wie z.B. Lebensmittel im Abfall – ein Projekt, dass 2006 begonnen hat. Kurz um: Wir überlegen uns die Themen und setzen diese flächendeckend in NÖ um. Wir brauchen in der Abfallwirtschaft den Bürger und die Bürgerin – wenn die nicht mitmachen geht gar nichts. Wir brauchen auch die Gemeinden, die BürgermeisterInnen und die engagierten Umweltgemeinderäte/innen – unsere Aufgabe ist die Vernetzung.

Der Präsident der NÖ Umweltverbände hat all das zu koordinieren und die Verbindung zu den Bundesstellen (Ministerium, Gemeindebund, Städtebund) herzustellen. Ich bin jetzt auch Vizepräsident der Arbeitsgemeinschaft Abfall auf Bundesebene. Sehr spannend ist es hier zu erfahren wie das eine oder andere Thema in den anderen Bundesländern funktioniert.

Sie beschäftigen sich ja beruflich bereits seit über 15 Jahren mit dem Thema Abfall, da sie im Jahr 2000 Obmann des Gemeindeverbandes für Umweltschutz in der Region Amstetten wurden. In dieser Zeit wurde tolle Arbeit geleistet und viele erfolgreiche Projekte wurden durchgeführt. Was hat sich im Laufe dieser Jahre an der Thematik verändert? Welche Ziele wurden schon erreicht?

Es hat sich sehr viel verändert. Damals diskutierten wir Müllberge: „Wohin mit dem Restmüll und Sperrmüll?“ war die Frage. Es gab keine geordnete Entsorgung und es wurden Deponien diskutiert. Heute wird nur ein Teil des Mülls verbrannt, der größte Teil unseres Mülls ist Wertstoff bzw. wertvoller Rohstoff geworden. Es ist ein Paradigmenwechsel passiert und ich bin sehr froh, dass wir das geschafft haben. Es ist der Wechsel weg von der reinen Wegwerfgesellschaft (wobei wir das nach wie vor sind – wir konsumieren und werfen weg) hin zum Bewusstsein, dass die Produkte, die wir benutzen, am Ende noch einen Wert haben, wenn sie „Abfall“ sind. Wir haben auch Partner in der Wirtschaft gefunden, die das Recyceln in die Praxis umsetzen.

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Wo sehen Sie die großen Herausforderungen in der Zukunft? 

Die große Herausforderung ist es die Abfallströme zu ordnen. Es geht darum die Trennung zu forcieren und das Bewusstsein zu steigern, dass die Dinge, die wir benutzen, wertvoll sind und auch noch wertvoll bleiben können – aber nur wenn wir sie getrennt sammeln! Amstetten ist z.B. Pilotregion zur getrennten Sammlung von Hartkunststoffen (Spielzeugtraktor, …), welche bisher als nicht verwertbarer Sperrmüll in der Verbrennung gelandet sind. So werden z.B. vom Weltmarktführer in Wels, Stempel mit klappbaren Stempelkissen aus 100 % Recyclingkunststoffen gemacht. Auch die Autoindustrie verwendet zunehmend Recyclingkunststoffe – nicht in den konstruktiven Teilen aber für Armaturenbretter etc. Dahin muss der Weg gehen und da liegt noch viel Arbeit vor uns. Aber die Richtung ist klar und wir werden die Herausforderung annehmen.

Was glauben Sie hat sich durch die verschiedenen Projekte und Maßnahmen im Bewusstsein der Menschen geändert?

Da nehme ich war, dass wir eine Zweiklassengesellschaft sind. Es gibt einen Teil der Menschen, die ein Bekenntnis abgeben in ihrem Lebensstil und wirklich tolle Arbeit leisten beim Müll vermeiden und trennen. Aber es gibt auch die andere Seite der Fahnenstange –  die Menschen denen das völlig egal ist.

LAbg. Bgm. Anton Kasser über die Bewusstseinsveränderungen der Bevölkerung zum Thema Abfall

Unsere Arbeit ist es dort Maßnahmen zu setzen und hier wollen wir vor allem auch Jugendliche über die Schule, zum Schwerpunktthema Lebensmittel im Müll, erreichen: In der pubertären Phase zwischen 14 und 19 wird oft die gute Kinderstube vergessen und da ist es cool den Müll beim Autofenster hinaus zu schmeißen. Hier wollen wir Bewusstsein schaffen!

Leider hält sich in den Köpfen der Menschen teilweise auch noch immer der Irrglaube, dass man den Abfall nicht trennen muss, da ohnehin alles zusammengeschmissen wird. Dabei ist die richtige Trennung so ein wichtiges Thema. Vielleicht wollen Sie unseren LeserInnen die Vorteile und den Nutzen von der getrennten Abfallsammlung kurz verdeutlichen?

Für die Bürgerinnen und Bürger kann man das ganz kurz auf den Punkt bringen: Jedes Kilogramm Müll das nicht in die Verbrennung geht, kostet weniger. Und wenn es dem Verband bzw. der Gemeinde weniger kostet, wird es auch geringere Müllgebühren geben. Es ist somit definitiv auch für die BürgerInnen eine Frage des Geldes. Denn die teuerste Entsorgung ist die Verbrennung. Stoffliche Verwertung ist immer billiger und bringt manches Mal sogar Erlöse – aber da müssen wir vorher einmal getrennt sammeln. Natürlich kommen auch die weichen Themen wie Ressourcenschonung, Klimawandel, ökologischer Fußabdruck, Schadstoffe dazu, aber die brauche ich Ihren LeserInnen ganz sicher nicht groß erklären.

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Plastiksackerl sind für viele Menschen ein Sinnbild für Abfall: Im Durchschnitt wird ein Plastiksackerl 30 Minuten verwendet, es braucht aber 400 Jahre um auf die Größe eines Sandkorns zu zerfallen. Verrotbar ist es nicht. Das es auch ohne Plastiksackerl geht, zeigen Beispiele wie die Stadtgemeinde Wieselburg im Mostviertel, die 2010 beschlossen hat plastiksackerlfrei zu werden. Sollte NÖ es Ihrer Meinung nach anstreben gänzlich plastiksackerlfrei zu werden – zum Beispiel mittels Plastiksackerl-Verbot?

Verbote sind immer schwierig, aber ich spüre doch, dass wir hier auf einem guten Weg sind. Viele Menschen sind bereit auf das Plastiksackerl zu verzichten. Ich persönlich bin gegen ein Verbot, aber es wäre durchaus machbar. Wir werden hier mittels Bewusstseinsbildung noch einiges weiterbringen. Ich bin davon überzeugt, dass die vielen engagierte BürgermeisterInnen und Umweltgemeinderäte/innen lokal viel bewirken können, wenn sie mit den GeschäftsbetreiberInnen / NahversorgerInnen reden – so wie es Wieselburg gemacht hat. Diese Dinge sind besser lokal zu lösen.

Laut dem NÖ Abfallwirtschaftsbericht sind im Jahr 2014 in NÖ 862.440 t Abfall (ohne Bauschutt) angefallen –  531 kg Abfall pro NiederösterreicherIn. Im Zusammenhang mit dem Thema Abfall bzw. Abfallvermeidung tauchen immer mehr Begriffe und Themen wie Lebensdauer von Produkten, Sollbruchstellen, Resilienz, Upcycling, Tauschbörsen, Reparatur-Cafés, …  auf. Wir geben auf unserer Website wir-leben-nachhaltig.at Tipps auf was man beim Kauf von Produkten achten soll, um qualitativ hochwertige und langlebige Produkte zu bekommen. Die NÖ Umweltverbände betreiben seit Dezember 2013 die Website www.sogutwieneu.at um Produkte, die man nicht mehr benötigt aber noch funktionsfähig sind zu verkaufen, zu tauschen oder zu verschenken. Gibt es irgendwelche Überlegungen oder Ideen das Angebot in diese Richtung weiter auszubauen?

Die Plattform „So gut wie neu“ läuft wirklich gut. So gut, dass z.B. das Land Salzburg die Plattform übernehmen wird. Ich denke aber, wir dürfen die Menschen nicht mit Unmengen an Plattformen überfordern. Reparatur-Cafés gibt es immer wieder als regionale Initiativen, die aber meistens von kurzer Dauer sind, weil eine Neuanschaffung oft billiger ist als eine Reparatur. Ich glaube auch nicht, dass wir durch diese die großen Mengen bewegen können. In Oberösterreich gibt es beispielsweise Second-Hand-Shops bei den Abfallsammelzentren angeschlossen – das ist eine nette Geschichte.

Interview mit LAbg. Bgm. Anton Kasser

Interview mit LAbg. Bgm. Anton Kasser

Wenn Sie sich vorstellen in fünf Jahren Ihre Erfolge als Präsident der NÖ Umweltverbände zu präsentieren. Auf welche erreichten Ziele wären Sie besonders stolz?

Ich möchte die noch verbandsfreien Gemeinden in die Verbände bekommen, um die Synergien zu stärken und geschlossen stark auftreten zu können. Ansonsten müssen wir die auf Landesebene beschlossenen Themen in die breite Öffentlichkeit bringen – dafür ist der Kontakt zum Land ein sehr wichtiger. Hier habe ich natürlich den Vorteil, dass ich auch im Landtag vertreten bin und die Themen hier auch sehr direkt und nahe in die Landesregierung tragen kann. Und es wird auch Überlegungen geben müssen wie wir zukünftig die kommunale Abfallwirtschaft gestalten und wie geschlossen wir dabei auftreten werden. Außerdem steht auch die Neuausschreibung der Verbrennungstarife in den nächsten Jahren an – hier sind wir gerade in der Vorbereitung. Ich glaube, wenn diese Punkte gut vonstatten gehen, dann ist das eine gute Bilanz.

Abgesehen von Abfallvermeidung und Abfalltrennung – welchen Tipp bzw. welche Empfehlung möchten Sie unseren LeserInnen auf ihren Weg zu einem nachhaltigen Lebensstil mitgeben?

Ich glaube, dass wir in der Gesellschaft allgemein verlernt haben bewusst zu denken, welche Auswirkungen unsere Taten haben. Wenn wir heute ein T-Shirt um € 3,50 kaufen, das in Bangladesch oder irgendwo genäht wurde, dürfen wir uns nicht wundern, wenn ein paar Jahre später der Schneider kommt und sagt: „Wo sind meine 30-40 Euro?“. Und das machen wir in allen Bereichen. „Geiz ist Geil“ ist das Thema in der jetzigen Zeit und ich glaube, dass uns dieser Slogan nachhaltig schadet. Wir verlangen alle in unserem Arbeitsbereich einen vernünftigen Lohn für vernünftige Arbeit – sind aber gleichzeitig nicht bereit für Dinge so zu bezahlen, wie wir sie bezahlen müssten. Wir müssen in allen Lebenslagen lernen oder uns bewusst machen, dass wenn wir nur das Billigste kaufen, irgendwer keinen gerechten Lohn dafür bekommt. Und / oder es hat Auswirkungen auf Natur und Umwelt: Bis 2009/2010 wurde beispielsweise in der Eisindustrie Milchfett eingesetzt – das war dann zu teuer und man hat es gegen Palmöl ausgetauscht. Das Eis ist dadurch zwar 3 Cent billiger im Geschäft, aber die Umweltauswirkungen der Palmölproduktion sind enorm. Wir müssen noch lernen bewusster Dinge anzuschauen und uns über die Wirkung einer gesetzten Tat klar sein. Früher war das durch die engen Wirtschaftskreisläufe noch sichtbar; man hat die Produktion z.B. vom Schneider im Ort noch direkt mitbekommen. Wir müssen unsere Taten einfach bewusst setzen. Man kann natürlich auch bewusst die billigen Produkte kaufen, aber unsere Kinder werden dann eine andere Welt vorfinden.

Interview mit LAbg. Bgm. Anton Kasser

Interview mit LAbg. Bgm. Anton Kasser

Kurz nachgefragt:

Welche Telefonnummer in Ihrem Verzeichnis ist die wichtigste?
die meiner Familie

Ihr liebster Durstlöscher an heißen Sommertagen?
Most gespritzt

Birnen- oder Apfelmost?
gemischt

Was war Ihr bisher lustigster oder seltsamster Job?
In den Jahren 1990 bis 1998 war ich als junger Gemeinderat Obmann einer Bürgerinitiative. In der Region gab es ein Sondermüllverbrennungsprojekt, welches von mir und vielen anderen verändert wurde. Ich war der Obmann und es waren 20.000 Beteiligte aus 22 beteiligten Gemeinden die sich dagegen einsetzten. Und unser Einsatz war richtig.  Es war eine tolle Zeit und eine tolle Erfahrung.

Welche drei Eigenschaften an Menschen schätzen Sie besonders bei der Zusammenarbeit?
Handschlagqualität, Offenheit und Kritikfähigkeit

Flüssiger oder gerührter Eiskaffee?
jeder Eiskaffee ist gut

Auf welches elektrische Gerät in Ihrem Haushalt können Sie auf keinen Fall verzichten?
Im Haushalt bin ich nicht so viel … aber auf die Kaffeemaschine könnte ich nicht verzichten.

Wenn es die Zeit zulässt – findet Ihr perfekter Badetag im Freibad, am Fluss oder am See statt?
am See

Wir suchen gerade die nachhaltigen Lieblingsplatz´l unser Userinnen und User. Verraten Sie uns Ihren Platz, wo Sie Kraft tanken und sich erholen?
Bei mir Zuhause habe ich das Glück einen schönen Garten mit Schwimmteich zu haben. Wenn ich wegfahre bin ich gerne im Salzkammergut am Grundlsee.

Die Olympischen Sommerspiele beginnen in wenigen Tagen (5. August 2016) in Rio de Janeiro (Brasilien). Wie viele Medaillen trauen Sie den über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Österreich zu?
Ich habe leider keine Ahnung – ich bin sportlich nur soweit interessiert, dass ich am Stammtisch mitreden kann.

Vielen Dank für das Interview!

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