Interview mit Mag. Christoph Urbanek
Luise Steininger | 31.03.2016

Mag. Christoph Urbanek leitet seit einem Jahr die Abteilung Umwelttechnik, Amt der NÖ Landesregierung. Im Interview erzählt er über seine Aufgaben als Anti-Atom-Koordinator, sein persönliches nachhaltiges Leben als Familienvater und seine beruflichen Erfahrungen als Model.
Luise Steininger: Sie sind seit ziemlich genau einem Jahr Leiter der Abteilung Umwelttechnik des Amtes der NÖ Landesregierung. Würden Sie bitte die Abteilung zu Beginn kurz für unsere Leserinnen und Leser vorstellen? Welche Aufgaben hat die Abteilung und worin liegen die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Christoph Urbanek: Die Abteilung Umwelttechnik ist eine Abteilung in der Baudirektion des Amts der NÖ Landesregierung, die grob gesagt die technischen Agenden des Umweltschutzes über hat. Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit der Luftgütetechnik und der Luftreinhaltung. Unsere Kernkompetenz ist der Betrieb eines Luftgütemessnetzes in NÖ (wie in jedem Bundesland), um zu überprüfen ob die Grenzwerte des Immissionsschutzgesetzes Luft eingehalten werden. Das heißt wir erheben Umweltdaten, die dann auf unserer Website www.numbis.at, sowie auf jener des Umweltbundesamtes öffentlich zugänglich sind.
Weitere Aufgabengebiete sind Lärmschutz, Abfallchemie, Bädertechnik, die technischen Angelegenheiten der Luftfahrt, die Sicherheitstechnik im Gesundheitswesen und der Strahlenschutz. Damit ist bei uns auch die Umwelt- und Anti-Atom-Koordination verankert und wir werden als Sachverständige im Auftrag der Behörden tätig.
Seit September haben Sie zusätzlich die Funktion des Anti-Atom-Koordinators in NÖ übernommen. NÖ setzt sich gegen den Ausbau von Atomkraft, gegen grenznahe Endlager für hochradioaktive Abfälle und für nachhaltige Energiegewinnung ein. Wie versuchen Sie in Ihrer Funktion als Anti-Atom-Koordinator bzw. auch in ihrer Funktion als Abteilungsleiter diese Ziele zu erreichen?
Für beide Funktionen ist es aus meiner Sicht wichtig zuerst gut recherchierte, seriöse Informationen für die Öffentlichkeit und für technische Fachgruppen in Österreich aufzubereiten; Informationen über grenznahe Atomkraftwerke und über mögliche grenznahe Endlager, damit sich jede Bürgerin und jeder Bürger ein möglichst objektives Bild machen kann.
Zweitens ist es als Anti-Atom-Koordinator meine Aufgabe (gemeinsam mit den VertreterInnen der anderen Bundesländer) an bilateralen Treffen mit Nachbarstaaten teilzunehmen, um sich über die technischen Entwicklungen des letzten Jahres mit Expertinnen und Experten auszutauschen. Das Bundesministerium für Äußeres und das BMLFUW laden zu diesen Gesprächen ein und haben auch den Vorsitz inne. Meine Aufgabe ist es dabei als Vertreter eines Bundeslandes und v.a. als Niederösterreicher den Betrieb und die Sicherheitsvorkehrungen der Atomkraftwerke der Nachbarstaaten kritisch zu hinterfragen. Wir deponieren und fordern Ansatzpunkte für technische Verbesserungen im Sicherheitssystem um die Sicherheit für NÖ zu steigern.
Haben Sie dabei nur eine Hinweismöglichkeiten oder gibt es weitergreifende Möglichkeiten?
Alleine die Tatsache, dass es verankerte bilaterale Gespräche zwischen Österreich und den Nachbarstaaten gibt ist schon ein großer Erfolg. Die Nachbarstaaten haben sich verpflichtet über den Betrieb der Nuklearanlagen jährlich zu berichten und auch eventuelle Probleme anzusprechen.
Direkt eingreifen oder etwas erzwingen können wir natürlich nicht, denn jeder Staat in Europa ist soweit souverän, um über die bevorzugten Energieformen selbst zu entscheiden. Aber das Hinweisen auf mögliche Sicherheitslücken und Verbesserungsmöglichkeiten ist sehr wichtig – dadurch ergeben sich viele Möglichkeiten.
Welche Erfolge der Vergangenheit sind auf diese Gespräche zurückzuführen?
Die Erfahrung zeigt, dass wenn beide Seiten seriös über mögliche Vorfälle berichten, auf Expertenebene sehr offen darüber geredet wird. Außerdem schaffen wir damit auch auf Seiten des Nachbarstaates mehr Bewusstsein für die Risiken dieser Technologie – auch in der Bevölkerung.
So hat vor ein paar Monaten die Chefin der tschechischen Atomaufsichtsbehörde öffentlich sogar über eventuelle Manipulationen bei Röntgenbildern von Schweißnähten im Zuge der Überprüfungen des Kernkraftwerkes Dukovany gesprochen – vor 10 bis 15 Jahren war das noch völlig undenkbar.
Heuer jährt sich die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zum 30. Mal und jene von Fukushima zum 5. Mal. Bei solchen Katastrophen wird die Kernkraft immer besonders intensiv in Frage gestellt. Österreich hat sich ja bereits bei der Volksabstimmung am 5. November 1978 (Zwentendorf) gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie ausgesprochen. Deutschland hat sich nach dem Unglück von Fukushima zu einem Ausstieg aus der Kernkraft bekannt. Sehen Sie einen weltweiten Ausstieg aus der Nuklearenergie als realistisch?
Ja, Deutschland hat sich für einen schrittweisen Ausstieg bis 2022 verpflichtet und auch einen Zeitplan dafür vorgelegt. Es gibt aber mittlerweile auch andere Länder, die über einen Ausstieg laut nachdenken. Unrealistisch ist es aufgrund der Souveränität der einzelnen Staaten natürlich, dass alle Nuklearanlagen von heute auf morgen abgedreht werden.
Aber es sind Maßnahmen möglich, um Schritt für Schritt den Ausstieg zu forcieren und somit in den nächsten 30 Jahren den Anteil von Atomstrom stark zu reduzieren. Zum Beispiel kann man alten Anlagen keine Betriebsbewilligungen und -verlängerungen mehr erteilen und somit die Anzahl an alten, sicherheitstechnisch zu hinterfragenden Anlagen stark verringern. Dabei ist es für uns natürlich vorwiegend von Bedeutung, dass Anlagen in Europa bzw. in grenznahen Gebieten in den nächsten Jahrzehnten zugesperrt werden.
Mag. Christoph Urbanek über den möglichen Ausstieg aus der Nuklearenergie.
Sie haben an der Universität Wien Geologie studiert – ein Studium, dass ich nicht klassischerweise mit Ihrem jetzigen Aufgabenfeld in Verbindung bringen würde. Inwieweit profitieren Sie trotzdem von Ihrer Ausbildung? Was davon können Sie nutzen?
Der große Vorteil einer erdwissenschaflichen Ausbildung liegt darin die Prozesse, die auf oder in der Erde passieren, zu verstehen. Ich sehe das als viele kleine Puzzlesteine, die sich zu einem Gesamtbild zusammensetzen lassen.
Berechnungen inwieweit ein Land von einer Atomkatastrophe betroffen sein kann, basieren zum Beispiel auf meteorologischen Modellen, mit denen ich mich in meinem Vorgängerjob sehr intensiv beschäftigt habe. Ich habe jetzt über 10 Jahre Hochwasservorhersage-Systeme für NÖ entwickelt. Dies hilft mir auch meteorologische Modelle von diversen Kraftwerksbetreibern interpretieren zu können.
Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ich kein Kerntechniker bin und es wäre auch nicht seriös zu sagen, dass man das Thema Kerntechnologie als eine Person umfassend beurteilen kann – es braucht dafür viele Spezialistinnen und Spezialisten. Für die Kerntechnik und die Anlagentechnik ziehen wir zum Beispiel Expertinnen und Experten der diversen Universitäten für Fach-Stellungnahmen und Konsultationen zu Rate.
Beruflich engagieren Sie sich ja mit all den angesprochenen Themen sehr intensiv für mehr Nachhaltigkeit. Wie versuchen Sie Ihren eigenen persönlichen Lebensstil nachhaltig zu gestalten?
Meine Arbeit als Anti-Atom-Koordinator hört dort auf wo zum Beispiel die Arbeit der eNu anfängt. Auf seriöser Basis zu sagen wo es gefährlich ist und wie es nicht funktioniert, ist der eine Teil der Geschichte, aber es ist ganz wichtig zu sagen wie es funktionieren kann und das sehe ich als Aufgabe der eNu.
Als verheirateter Familienvater in Langenlois lebend ist mir, auch im Hinblick auf meinen zweijährigen Sohn, die Sicherheitsfrage sehr wichtig. Darum ist es mir auch ein persönliches Anliegen dabei mitzuhelfen die Nuklearanlagen rund um Österreich ein Stück weit sicherer zu machen.
Wir, als Familie, versuchen alle Strecken in Langenlois zu Fuß oder mit dem Rad zurückzulegen – zumindest zwischen März und Oktober. Im Winter schaffen wir es nicht immer… Das heißt für den Weg in den Kindergarten oder für den Einkauf bleibt das Auto stehen. Wir machen auch einmal einen Samstagsausflug mit Rucksack, um den Familieneinkauf zu machen.
Ich bin noch nicht lange verheiratet und wir hatten zu Beginn vorwiegend zwei Diskussionen zum Thema Nachhaltigkeit. Wann wird wo wieviel Licht aufgedreht und welche Waschmaschine kaufen wir uns – wir haben uns eine „Sparwaschmaschine“ gekauft und versuchen unseren Stromverbrauch möglichst gering zu halten.
Derzeit beschäftigen wir uns mit der Herausforderung ein ökologisch gebautes, leistbares Haus für unsere Familie zu planen. Wir wollen es zum Beispiel nicht außen mit Styropor zukleistern.
Gibt es Bereiche wo es Ihnen sehr schwerer fällt nachhaltig zu leben?
Ja. Das ist einerseits mein Mobilitätsverhalten in der Freizeitgestaltung – ich schaffe es wesentlich seltener mit dem Rad nach Krems in die Sporthalle zu fahren, als ich es mir vornehme. Andererseits ermahnt mich meine Frau immer, wenn ich Lebensmittel nicht in Bio- oder Fairtrade-Qualität kaufe und ich bekrittle wenn sie Kleidungsstücke „made in China“ kauft.
Darf ich Sie noch um einen Nachhaltigkeits-Tipp für unsere Leserinnen und Leser bitten? Welche Empfehlung oder welchen Anstoß möchten Sie ihnen mitgeben?
Man sollte immer überlegen für welche Wege man das Auto wirklich braucht und wo man es lieber stehen lassen kann. Mein Opa hat immer gesagt: „Am meisten ersparst du dir beim Auto, wenn du es stehen lässt … für die eigene Geldbörse, aber auch für die Umwelt“.
Wenn man sich da kritisch überlegt: wo muss ich wirklich mit dem Auto hinfahren oder kann ich das auch anders oder ein anderes Mal oder mit einer Fahrgemeinschaft machen, kommt man erstaunlich oft darauf, dass es andere Möglichkeiten gibt, sich wo anders hinzubewegen.
Mag. Christoph Urbanek über seine Bemühungen das Auto stehen zu lassen.
Kurz nachgefragt:
Genießen Sie im Urlaub lieber die Höhenluft oder eine Meeresbrise?
Höhenluft
Anruf oder E-Mail?
Anruf
Welche Telefonnummer in Ihrem Verzeichnis ist die wichtigste?
die meiner Frau
Als Geologe, welcher Schmuck-Edelstein ist Ihr persönlicher Favorit?
Granat
Welche Sportart verfolgen Sie im Fernsehen oder auf der Tribüne?
Handball
Was war Ihr bisher lustigster oder seltsamster Job?
Ich war Model für Hugo Boss – vor mehr als 20 Jahren und mit 20 Kilo weniger. Wir tourten für das damals neue Parfum „Hugo Boss Woman“ mit einer Road Show für 12 Wochen durch Österreich. Wir verteilten gratis Proben und wurden bei allen Veranstaltungen fotografiert. Ich machte diesen Job zwischen Matura und Studienbeginn, um mir meinen ersten Laptop um 25.000 Schilling kaufen zu können.
Apfel- oder Topfenstrudel?
Topfenstrudel
Mit welcher berühmten Persönlichkeit würden Sie gerne ein Gespräch führen?
José Mourinho oder Pep Guardiola. Mich würde interessieren wie sie als Fußballtrainer über so viele Jahre sportlich und finanziell erfolgreich sind – und das in einem Haifischbecken.
Morgenmensch oder Nachtschwärmer?
Mittlerweile Morgenmensch … unser Sohn wacht im Regelfall um ca. 6 Uhr auf. Uns überrascht selbst immer wieder was man an einem Sonntag bis halb 10 alles erledigt haben kann.
Welche Farbe hatten die Ostereier bei Ihnen zuhause?
Grün und Weiß – ich bin Rapid-Fan.
Vielen Dank für das Interview!
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