Interview mit Mag. (FH) DI Markus Piringer
Luise Steininger | 25.02.2016

Mag. (FH) DI Markus Piringer studierte technische Chemie und Sozialarbeit. Seit August 2012 leitet er “die umweltberatung“ Wien. Im Interview erzählte er u.a. über die veränderten Anforderungen an die Organisation, Zukunftsvisionen unserer Gesellschaft, seine persönlichen Herausforderungen im Job und die Überschaubarkeit seines Kleiderschranks.
Luise Steininger: Für unsere LeserInnen, die “die umweltberatung“ Wien noch nicht so gut kennen – könnten Sie die Organisation kurz vorstellen?
Markus Piringer: “die umweltberatung“ Wien gibt es seit 28 Jahren. Es ist eine Informations-, Bildungs-, und Beratungseinrichtung mit dem Ziel ökologische Lebensweisen und Lebensstile zu fördern. Wir beschäftigen 28 MitarbeiterInnen, die in verschiedenen inhaltlichen Bereichen tätig sind. Wir haben den Anspruch als Erstanlaufstelle für Wiener BürgerInnen die gesamte Bandbreite von Umweltfragen abdecken zu können. Unsere Schwerpunkte sind Informationsarbeit, sowie Medienarbeit und wir versuchen die Menschen auch über Bildungsangebote und Kooperationen mit unseren Inhalten zu erreichen. An unserer Beratungshotline werden jährlich ca. 10.000-12.000 Anfragen beantwortet. Pro Jahr werden in etwa 100.000 Stück Informationsmaterialien an interessierte Personen verteilt (über die Hotline, im Online-Shop oder auf Infoständen).
Als zweites Standbein haben wir viele innovative Projekte bzw. konkrete Aktivitäten, wie z.B.:
- Das Reparaturnetzwerk Wien, mit über 70 Betrieben in Wien an die wir auch über die Hotline vermitteln.
- Im Bereich der Ernährung läuft das Projekt „natürlich gut Teller“. Wir beraten Großküchen, wie z.B.: beim Wiener Krankenanstaltenverbund, über die ökologische Ausrichtung von Menüplänen. Einzelne Gerichte werden nach bestimmten Muss- und Kann-Kriterien, wie regional, ökologisch, wenig Fleisch,… gekocht und ausgezeichnet.
- Mit unserem „biologisch gärtnern“-Gütesigel werden Produkte für den Privatgartenbereich ausgezeichnet, wenn sie sich ökologisch positiv von anderen Produkten unterscheiden.
- Im Rahmen der „Wiener Energieunterstützung“, aber auch in anderen Projekten bieten wir kostenlose Energieberatungen für von Energiearmut betroffene Wiener Haushalte an.
Auf Ihrer Website hatte ich den Eindruck Sie versuchen das Thema Umweltschutz sehr stark über Betriebe zu verbreiten – warum wählen Sie diesen Weg?
Ja, natürlich – Betriebe sind wichtige Akteure – wir brauchen die Zusammenarbeit. Denn die Wirtschaft verursacht auch viele Umweltauswirkungen. Wir arbeiten z.B. beim ÖkoBusinessplan der Stadt Wien mit. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit und zum Umweltschutz werden hier gefördert – im Rahmen des Begleitprogramms bieten wir z.B. eine Vortragsreihe an. Zusätzlich beraten wir Betriebe ökologischer zu handeln oder bieten Workshops an.
Beim Projekt energie-führerschein sprechen wir gezielt Lehrlinge in Betrieben an. In zwölf Einheiten vermitteln wir Basiswissen zu energiesparendem Verhalten, sowohl im Betrieb als auch im Alltag. Inzwischen haben wir knapp 800 AbsolventInnen und das Projekt hat letztes Jahr den österreichischen Klimaschutzpreis gewonnen.
“die umweltberatung“ wurde in Wien 1988 gegründet; sie sind nun seit bald 4 Jahren als Geschäftsführer mit dabei. Was sind für Sie die größten Erfolge dieser 28-jährigen Geschichte?
Ich denke, dass man den Erfolg nicht an einem Projekt festmachen kann. Sondern ich glaube, es ist auch ein Merkmal von “die umweltberatung“, dass Umweltberatung einfach eine sehr breite Sache ist, wo an vielen kleinen Schräubchen gedreht wird – das macht dann auch viele kleine Erfolge aus, die in Summe dann etwas Schönes darstellen. Ich denke, dass “die umweltberatung“ einen wesentlichen Beitrag geleistet hat, dass ökologische Lebensstile zumindest in Teilen der Bevölkerung verankert sind. Es konnten sich Nischen bilden, die mittlerweile immer mehr Platz einnehmen; wie z.B. Bio-Lebensmittel und nachhaltige Kleidung.
Mag. (FH) DI Markus Piringer über die Erfolge von “die umweltberatung“
Außerdem denke ich, dass „die umweltberatung“ in vielen interessanten Projekten der Stadt Wien einen Beitrag leisten konnte – z.B. in der öffentlichen Beschaffung und bei der Abfallvermeidung.
Und was waren bzw. sind die größten Herausforderungen?
Die Umweltarbeit hat sich stark geändert. Früher gab es sehr wenige Informationen – jetzt gibt es so viel, dass es manchmal verwirrend ist. Ich sehe es als unsere Aufgabe und Herausforderung komplexe Themen auf konkrete Handlungsanleitungen oder Bildungsinhalte „runterzukochen“.
Andererseits sind Klimawandel und Klimaschutz die großen Herausforderungen unserer Zeit: Wenn man die Ergebnisse von Paris ernst nimmt, darf heute kein neugebautes Haus mehr mit fossilen Energieträgern (also Öl und Gas) beheizt werden. Denn 2050 will die Welt auf fossile Energieträger völlig verzichten – hier stehen wir erst am Anfang.
Mag. (FH) DI Markus Piringer über die Herausforderungen unserer Zeit
Die Aufgabe von “die umweltberatung“ ist es als unabhängige Beratungsstelle in Umweltfragen ohne wirtschaftliches Eigeninteresse die Menschen zu informieren. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal in Wien.
Firmenunabhängigkeit bedeutet für uns glaubwürdig wahrgenommen werden zu können. Wie einfach ist es für “die umweltberatung“ diese Unabhängigkeit im Alltag umzusetzen?
Für mich ist das keine Schwierigkeit. Wir kooperieren zwar mit Unternehmen, aber das sind keine großen Marketingkooperationen. Wir bekommen kein Geld dafür, eine Firma öffentlich als besonders gut darzustellen. Und unsere Produktbewertungen basieren auf nachvollziehbaren Kriterien. Dadurch sehe ich für “die umweltberatung“ wenig Gefahr diese Unabhängigkeit zu verlieren.
Wagen wir nun einen Blick in die Zukunft: Wenn wir morgen früh das Jahr 2026 hätten – was glauben Sie hätte sich in den letzten 10 Jahren bei “die umweltberatung“ und der Einstellung der Menschen geändert?
Zukunftsszenarien sind immer schwierig. Man ist versucht sehr linear zu denken, aber ich glaube, dass dieses lineare Denken in unserer Zeit nicht mehr funktioniert. In 10 Jahren wird vieles anders sein. Inzwischen haben die Fundamente unserer Gesellschaft etwas zu wackeln angefangen. Ökonomisch befinden wir uns seit 2008 in einer schleichenden Dauerkrise; wenn China niest hat Europa einen Schnupfen und Nordafrika oder der arabische Raum stecken in einer schweren Krise. Insofern glaube ich, dass sehr unruhige Jahre auf uns zukommen.
Ich glaube die große Herausforderung besteht darin, gemeinsam an neuen gesellschaftlichen Lebensstilmodellen zu arbeiten, die auch Nachhaltigkeit beinhalten. Es gibt bereits kleine Kristallisationspunkte – Wohnprojekte, Arbeitsmodelle, Sharing-Initiativen, … – 2026 werden diese Ansätze größer geworden sein und manche Dinge werden neu und ganz anders funktionieren. Aber trotzdem wird sehr unklar sein was die Zukunft bringen wird – so wie jetzt. Ich denke die jetzigen Systeme werden sich noch einige Jahrzehnte lang verändern.
Mag. (FH) DI Markus Piringers Blick in die Zukunft
Was werden Bildungs- und Beratungseinrichtungen wie “die umweltberatung“ zu einer ökologisch und sozial verträglichen Gesellschaftsentwicklung in den nächsten Jahren beitragen können?
Ich sehe die Aufgabe von “die umweltberatung“ darin, diese kleinen Modelle und Initiativen, die anders funktionieren und ganz wichtig in Richtung Zukunftsfähigkeit sind, aufzuzeigen und zu unterstützen. Wir müssen darauf schauen, dass diese jetzt nicht kaputt gehen und darauf aufmerksam machen.
In der Vorbereitung auf das Interview bin ich auf Auszüge Ihres Lebenslaufs gestoßen. Sie haben zuerst technische Chemie an der TU Wien studiert und dann noch Sozialarbeit an der FH Campus Wien. Welches Studium war für Sie die größere Herausforderung?
Die größere Herausforderung war die TU, weil Chemie ein ziemlich schwieriges und stressiges Studium mit hohem Druck ist.
Das Studium der Sozialarbeit war weniger stressig, aber ich hatte und habe eine weltanschauliche Herausforderung zu meistern. Von meiner Sozialisation her bin ich Umweltschützer: meine Wahrnehmung der Gefahren für die Gesellschaft beinhalteten den Klimawandel, die Zerstörung von Naturräumen und der Biodiversität. Ich musste lernen, dass in der Sozialarbeit diese Gefahren nicht handlungsrelevant sind. Dort nimmt man Gefahren wie das Auseinandertriften von Reich und Arm oder den Druck auf am Rand stehende Gruppen viel mehr war. Beide Wahrnehmungen sind für sich richtig, aber sie ergeben auf den ersten Blick kein gemeinsames Bild.
Mag. (FH) DI Markus Piringer über sein Studium der Sozialarbeit
In meiner Arbeit versuche ich diese ökologische und soziale Perspektive zusammenzubringen. Das ist die Herausforderung und ein Fokus meiner und unserer Arbeit bei “die umweltberatung“. Es gelingt uns in Projekten wie bei der Beratung von energiearmen Haushalten. Wir halten auch Kochworkshops in Parks für Kids ab, die z.B. keine Salatgurken mehr kennen und geschweige denn wissen, wie sie sie verkochen könnten. Ich bin überzeugt davon, dass es nur möglich ist den ökologischen Wandel zu schaffen, wenn er auch sozial ausgewogen ist.
Ist eines der beiden Studien in Ihrer täglichen Arbeit wichtiger?
Nein, keinesfalls – es ist keines bedeutender. Die Herausforderung ist beides zu vereinen.
Bei “die umweltberatung“ Wien spielt das Thema Nachhaltigkeit natürlich eine große Rolle. Im privaten Leben gibt es oft Bereiche wo es leichter ist die Nachhaltigkeit konsequent mitzudenken und zu leben, aber es gibt auch Bereiche wo es einem etwas schwieriger fällt.
Möchten Sie unseren LeserInnen vielleicht verraten wo es Ihnen leicht von der Hand geht und wo Sie sich selbst auch mal ermahnen müssen?
Ich bin natürlich bemüht ökologisch zu leben und mir geht es sehr gut dabei. Ich besitze kein Auto, sondern fahre alles öffentlich. Kein Auto zu haben finde ich absolut erleichternd. Ich brauche mich um nichts zu kümmern und es kostet mir nichts. Mit meiner Lebensgefährtin habe ich den Kompromiss getroffen nur alle 10 Jahre eine Flugreise in den Urlaub zu machen. Heuer werden wir z.B. 3 Wochen über Südfrankreich bis Barcelona mit dem Zug reisen. Dadurch wird der Urlaub auch wirklich zur Reise.
Wenn wir zuhause kochen verwenden wir Bio-Produkte und wenig Fleisch. Wenn wir essen gehen und ich es beeinflussen kann, dann sind es auch dort die Bio-Lokale.
Schwierig finde ich das Thema Textilien für Männer, da ich schon Ansprüche auf Passform stelle. Ich finde, dass hier die Auswahl für Männer noch relativ gering ist. Aber eigentlich geht es auch darum wenig zu konsumieren – deshalb ist mein Kleiderschrank auch sehr überschaubar.
Nicht zuletzt haben wir unser Heim renoviert und dabei fast Niedrigenergie-Standard erreicht.
Zum Abschluss möchte ich Sie noch um eine kurze Botschaft an unsere Leserinnen und Leser bitten.
Es geht darum dranzubleiben. Es treten natürlich immer wieder Hürden auf – die Benützung des öffentlichen Verkehrs in Wien ist leicht – in NÖ ist es sicherlich deutlich schwieriger. Aber wichtig ist es dranzubleiben, den Spaß daran nicht zu verlieren und die Vorteile zu sehen.
Kurz nachgefragt
Welche Persönlichkeit hat Sie in Ihrem beruflichen Lebensweg besonders geprägt bzw. beeinflusst?
Meine Freunde
Was war Ihr Berufswunsch als Kind?
Am Anfang Polizist, dann Arzt und dann Chemiker – zuletzt Umweltschützer.
Wie entspannen Sie sich nach einem anstrengenden Arbeitstag?
Im Winter heize ich unseren kleinen Kaminofen an – dann sitze ich davor und spiele Gitarre.
Was war Ihr bisher lustigster oder seltsamster Job?
Das war wohl einer meiner ersten Jobs, bei Global2000. Wir machten ein „radiation monitoring system“ rund um Kernkraftwerke, wozu wir jeweils 6 Messsonden auf Privatgründen rund um die Kraftwerke aufstellten. Wir mussten die Sonden heimlich über die Grenzen bringen, Personen finden, die das Aufstellen akzeptierten und mittels Pager wurden wir über Computer und Telefonnetz beim Anschlagen einer Sonde informiert – damals gab es ja noch keine Handys… Dieser Job war sehr aufregend, interessant und spannend.
Anruf oder E-Mail?
Geschäftlich bevorzuge ich eher E-Mails – privat ist mir ein Anruf lieber.
Welches Buch lesen Sie gerade? Als E-Book oder in Papierform?
Ein Fachbuch, in dem das Thema Zen und Management zusammengedacht wird – in Papierform.
Welche Telefonnummer in Ihrem Verzeichnis ist die wichtigste?
Die meiner Lebensgefährtin.
Wie nützen Sie die Zeit in den Öffentlichen Verkehrsmitteln?
Zum twittern … meistens.
Apfel oder Birne?
Apfel
Wir sind mitten in der Fastenzeit – fasten Sie persönlich etwas?
Nein – die Fastenzeit ist für mich kein Thema.
Vielen Dank für das Interview!
Kommentare
Hinterlasse einen Kommentar
Du kannst Dich zum Schreiben eines Kommentars auch mit Deinem wir-leben-nachhaltig-Account anmelden.
Noch keine Kommentare vorhanden