Tauschen macht mehr Spaß als Shoppen

Natalie Oberhollenzer | 05.10.2015

Screenshot der Facebook-Gruppe Wien verschenkt
Facebook-Gruppe Wien verschenkt

Sharing-Plattformen im Netz sorgen nicht nur dafür, dass man unnütze Dinge los wird und an neue (ja, oft auch unnütze) Dinge kommt. Sie sorgen auch für eine Menge Unterhaltung!

Es ist ein Wahnsinn. Statistisch gesehen besitzt der Durchschnittseuropäer nicht hundert, nein, auch nicht ein paar hundert, sondern über 10.000 Gegenstände. Wie viele davon er tatsächlich gebraucht, darüber gibt es kein Zahlenmaterial. Aber fest steht jedenfalls, dass es nie und nimmer so viele Dinge sind. Das heißt: das meiste bunkern wir unbenutzt irgendwo in unseren Wohnungen. Wahrscheinlich ärgert uns vieles von dem Zeug sogar, wenn es uns beim Aufräumen in die Hände fällt. Es verstaubt, braucht Platz, aber aus irgendeinem Grund behalten wir es doch. Mir zumindest geht es so. „Zum Wegschmeißen ist es zu schade, es ist ja noch gut. Außerdem weiß man ja nie, vielleicht braucht man’s ja noch“, spricht die virtuelle Mama aus dem Off, sobald man ebendiese Sachen in den Händen hält.

Doch seit ich vor ein paar Monaten auf Facebook eine neue Gruppe entdeckt habe, hat meine innere Stimme dem alten Rat etwas entgegenzusetzen. „Ich habe dieses Ding in all den Jahren noch nie gebraucht, warum also sollte ich es in den nächsten Jahren so sein? Wer anderer vielleicht schon“, denk ich mir, mache mit dem Handy ein Bild davon und poste es auf der Pinnwand von „Wien verschenkt“. Ist es erst einmal von den Admins autorisiert, dauert es meist keine fünf Minuten, bis sich jemand aus der Gruppe meldet, der das Teil haben will.

Vieles habe ich seitdem angebracht: Im Frühsommer eine Menge Stecklinge, Fitness-Schnickschnack, Fehlkäufe aus dem Kleiderkasten, Handtaschen und so weiter. Umgekehrt habe ich mir auch schon etwas über die Plattform gecheckt. Zufällig stellte jemand direkt aus dem Grätzel dasselbe Schuhkastl zur Verfügung, wie es in meinem Vorzimmer stand. Nur dass seines nicht kaputt war. Schnell war es ausgetauscht. Dabei habe ich mir nicht nur Geld gespart, sondern auch die mühsame Fahrt ins Vorstadt-Möbelhaus.

Wer will den Hotdog-Mantel?

Außerdem hat die Sache noch einen anderen, netten Nebeneffekt: Man lernt neue Leute kennen, mit denen man ansonsten eher schwerlich ins Gespräch kommen würde. Neulich war eine ältere Dame da, mit der ich mich eine halbe Stunde am Türrahmen unterhalten habe. Sie riss einen Witz nach dem anderen. Also habe ich sie reingebeten und wir haben am Küchentisch beim Kaffee noch ein schönes Weilchen weitergespaßt. Ein anderer Bursche hingegen, hat mir als Dankeschön übrige Stecklinge von seinem Balkongarten mitgebracht, als er sich ein paar Pflänzchen bei mir abgeholt hat.

Manchmal ist es auch einfach nur lustig, die Seite der Gruppe runterzuscrollen und sich anzuschauen, was für Skurrilitäten die Leute anbieten. Zum Beispiel hat letztens jemand eine Schachtel mit nichts als Styroporflocken drinnen offeriert. Wer das braucht, das frag ich mich dann schon. Aber wer weiß das schon. Einen besonders bizarren Geschmack hatte eine Frau, die zwei wie Puppen aussehende Überzüge für Toilettenpapier feilbot, und einen Hundemantel in Hotdog-Optik. Mein absolutes Highlight war aber ein Plastikschwein mit Flügeln. Das hängt an einer Schnur die an den Oberboden angeklebt gehört, damit das Tier im Kreis rumfliegen kann. Eine tolle Sache, irgendwie! Am Ende habe ich dem Fake-Ferkel aber widerstanden. Man will ja wenigstens versuchen, im 10.000er-Schnitt zu bleiben.

Kommentare

  • Fräulein Rottenmeier

    07.10.2015, 15:49

    Mein Haus, mein Auto, mein Boot – dieses Credo der Konsumgesellschaft zählt für einige Menschen nicht mehr. Das Tauschen und Teilen wird für viele zu einer Alternative zum Kaufen und Wegwerfen.
    Und doch ist es meiner Meinung nach wichtig, dass das Tauschen und Teilen eine Randerscheinung bleibt. Denn da bei der Mehrzahl der Tauschgeschäfte keine Steuern und Sozialabgaben gezahlt werden, könnte ein Zuviel davon eine Gefahr für den Sozialstaat darstellen.

    Das neue Geschäftsmodell birgt auch Gefahren, meint auch mein geschätzter Kollege, Herr Dr. Rugglputz Valentin von der Bucerius Law School in Hamburg. „Tauschportale bringen für beide Parteien ein deutlich höheres Risiko mit sich als ein normales Geschäft.“ Der Vertragspartner sei in der Regel eine Privatperson, das Verbraucherschutzrecht gelte aber nur zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Umtausch und Rückgabe von Dingen, die entweder nicht gefallen oder kaputt sind, seien häufig viel schwieriger

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    • Hausverstand

      07.10.2015, 21:05

      Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut – nur nicht unbedingt der Umwelt und schon gar nicht den Entwicklungsländern 😓. Darum immer schön konsumieren, dem Sozialstaat zuliebe.

    • Christine

      07.10.2015, 20:55

      Schade, dass auf jede gute Idee gleich mit Negativäußerungen reagiert werden muss. Schade.

  • Peter

    07.10.2015, 14:50

    Ich fürchte, ich kratze auch schon am 10.000-ender! Aber zum Glück habe ich Familie und Freunde, denen ich das eine oder andere brauchbare Ding schenken kann :). Und ab und an verkaufe ich auch mal ein Altgerät auf will-haben oder spende es der Caritas.

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